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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich in krampfhafter Bewegung, und der Haken fiel heraus. Ich taumelte fort, verstreute Erbrochenes. Die schwachen, flehenden Laute, die er machte, gingen im heiseren Keuchen meiner Kehle unter, während sich mein Magen entleerte. Der heiße, eindringliche Gestank frischer Kotze gesellte sich zum allgemeinen Newpest-hauch in der Straße. Ich verkrampfte mich in einem heftigen Würgereiz und kippte vornüber in den Abfall.
    Ich glaube, er war noch am Leben, als ich wieder auf die Beine kam und loszog, um Segesvar zu helfen. Die Laute, die der Dealer von sich gab, verfolgten mich bis zum Ende der Gasse, und in den Nachrichten am nächsten Tag hieß es, dass er kurz vor Sonnenaufgang an seinen Blutungen gestorben war. Dann verfolgten mich diese Laute weiter in den folgenden Wochen, jedes Mal, wenn es in meiner Umgebung leise genug war, um meine eigenen Gedanken hören zu können. Während des ganzen nächsten Jahres wachte ich immer wieder auf und hatte sie wie Blutgerinnsel in den Ohren.
    Ich wandte den Blick ab. Meine Augen stellten die Glaswände des Terminals wieder scharf ein. Auf der anderen Seite des Tisches beobachtete Segesvar mich aufmerksam. Vielleicht erinnerte auch er sich. Er verzog das Gesicht.
    »Also meinst du, ich hätte kein Recht, deswegen sauer zu sein? Du tauchst neun Wochen lang ohne ein Wort unter und lässt mich mit deiner Scheiße zurück, sodass ich vor den anderen haiduci wie ein Volltrottel dastehe. Und jetzt willst du die Finanzen umorganisieren? Weißt du, was ich mit jedem anderen machen würde, der versucht, mich auf diese Weise zu verarschen?«
    Ich nickte. Erinnerte mich mit trockenem Humor an meine Wut auf Plex vor ein paar Monaten, als ich in Tekitomura mit kochenden synthetischen Körperflüssigkeiten dagestanden hatte.
    Wir… äh… wir müssen da was umorganisieren, Tak.
    Nur wegen dieser Worte hatte ich ihn töten wollen.
    »Du meinst, dreißig Prozent sind ungerecht?«
    Ich seufzte.
    »Rad, du bist ein Gauner, und ich bin…« – ich gestikulierte – »nicht besser. Ich glaube, dass keiner von uns beiden genau weiß, was gerecht und was ungerecht ist. Du tust, was du für richtig hältst. Ich werde das Geld für dich auftreiben.«
    »Also gut.« Er starrte mich immer noch an. »Zwanzig Prozent. Entspricht das deinem Sinn für kommerzielle Korrektheit?«
    Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts. Ich kramte in der Hosentasche nach den kortikalen Stacks und hielt die Faust geschlossen, als ich mich damit vorbeugte. »Hier. Deshalb bist du gekommen. Vier Fische. Mach damit, was du willst.«
    Er stieß meinen Arm zur Seite und stach mit einem wütenden Finger nach meinem Gesicht.
    »Nein, mein Freund. Ich mache damit, was du willst. Ich erbringe eine Dienstleistung für dich, und das solltest du nicht vergessen, verdammt. Ich habe dir zwanzig Prozent angeboten? Ist das fair?«
    Die Entscheidung kristallisierte aus dem Nichts, so schnell, dass sie sich wie ein Schlag gegen den Hinterkopf anfühlte. Als ich es später analysierte, konnte ich nicht erklären, wodurch sie ausgelöst wurde, nur dass es war, als würde ich wieder dieser leisen Stimme aus der Dunkelheit lauschen, die mir sagte, dass ich mich beeilen sollte. Es fühlte sich an wie plötzlich ausbrechender Schweiß auf den Handflächen und wie das Entsetzen, dass ich in einer wichtigen Sache zu spät kommen würde.
    »Ich meinte es ernst, Rad. Du entscheidest. Wenn du befürchtest, deswegen vor deinen haiduci-Kumpels das Gesicht zu verlieren, dann lass die Sache fallen. Ich werde diese Dinger irgendwo auf der Lagune über Bord werfen, und wir reden nicht mehr drüber. Halt mir die Rechnung unter die Nase, und ich werde eine Möglichkeit finden, sie zu bezahlen.«
    Er warf die Hände hoch, in einer Geste, die er während unserer Jugendzeit kopiert hatte, aus haiduci-Experia-Filmen wie Die Freunde von Ireni Cozma oder Stimmen der Gesetzlosen. Es kostete mich einige Mühe, nicht zu lächeln, als ich es sah. Vielleicht war es auch nur das schnell stärker werdende Gefühl der Bewegung, dass er mich jetzt in der Hand hatte, wie eine Droge, der Griff einer Entscheidung, die man angenommen hatte und von der man genau wusste, was sie bedeutete. In der Schwere des Augenblicks war Segesvars Stimme auf einmal nur noch ein Summen am Rande der Relevanz. Ich war dabei, ihn auszublenden.
    »Also gut, scheiß drauf. Fünfzehn Prozent. Komm schon, Tak. Fairer geht es nicht. Bei weniger würden meine eigenen Leute mich wegen

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