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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zwischenzeit die Reinigungsroboter vorbeigekommen.
    Der Kaffee war heftig.
    »Siehst du?«, sagte Segesvar und schob seinen mit übertrieben gerunzelter Stirn beiseite. »Ich sollte dir die Beine brechen, weil du mich zwingst, so ein Zeug zu trinken.«
    »Du könntest es versuchen.«
    Für einen kurzen Moment schlossen sich unsere Blicke kurz. Dann zuckte er die Achseln.
    »Das war ein Witz, Tak. Du verlierst deinen Sinn für Humor.«
    »Ja. Ich werde dreißig Prozent Verzugszinsen draufschlagen.« Ich schlürfte ausdruckslos von meinem Kaffee. »Früher mal haben meine Freunde so etwas umsonst bekommen, aber die Zeiten ändern sich.«
    Das ließ er einen Moment lang wirken, dann neigte er den Kopf und blickte mir wieder in die Augen.
    »Findest du, dass ich dich unfair behandle?«
    »Ich glaube, du hast praktischerweise vergessen, was die Worte Du hast mir damals den Arsch gerettet, Mann wirklich bedeuten.«
    Segesvar nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Er sah auf den Tisch zwischen uns.
    »Das ist eine sehr alte Schuld«, sagte er leise. »Und eine sehr fragwürdige.«
    »Das hast du damals anders gesehen.«
    Es lag zu weit zurück, um die Erinnerung problemlos aufrufen zu können. Weit vor dem Einsetzen der Envoy-Konditionierung, zu einer Zeit, die im Laufe der Jahrzehnte zunehmend verblasste. Am intensivsten erinnerte ich mich an den Gestank in der Straße. Alkalische Niederschläge von der Belatang-Verarbeitungsfabrik und Ölabfälle aus den hydraulischen Systemen der Drucktanks. Die Flüche des Meth-Dealers und das Glitzern des langen Flaschenrückenhakens, als er damit durch die feuchte Luft nach mir schlug. Die anderen waren schon weg. Ihre jugendliche Kampfbegeisterung hatte sich ganz schnell in Entsetzen aufgelöst, als der geschärfte Stahlhaken gezückt wurde und Radul Segesvars Bein von der Kniescheibe bis zum Schritt aufgerissen hatte. Sie waren schreiend wie exorzierte Geister in die Nacht geflüchtet, hatten Radul zurückgelassen, der sich Meter um Meter heulend hinter den anderen durch die Gasse schleppte, während ich mich, sechzehn Jahre alt, mit leeren Händen gegen den Stahl wehren musste.
    Komm her, du kleiner Scheißer. Der Dealer grinste mich im Zwielicht an, lockte mich spöttisch, während er vorrückte und mir den Fluchtweg versperrte. Willst mich in meinem eigenen Revier fertigmachen, was? Ich werde dich aufschlitzen und deine eigenen Scheißeingeweide an dich verfuttern, Junge.
    Und zum ersten Mal in meinem Leben erkannte ich mit einem Gefühl wie eine kalte Hand, die sich um meinen Hals legte, dass ich einem Mann gegenüberstand, der mich töten würde, wenn ich ihn nicht daran hinderte.
    Keine Prügel wie von meinem Vater, keine Schlitzereien wie von den unfähigen Bandenschlägern, mit denen wir uns täglich auf den Straßen von Newpest rauften. Er wollte mich töten. Töten. Dann würde er mir vermutlich den Stack herausreißen und ihn in das Dreckwasser des Hafens schmeißen, wo er länger am Grund liegen würde, als das Leben irgendeines Menschen dauerte, den ich kannte oder an dem mir etwas lag. Es war dieses Bild, dieser Schrecken, im vergifteten Wasser versenkt zu werden, was mich antrieb, was mich veranlasste, den Hieb des geschärften Stahls zu berechnen und zuzuschlagen, als er am Ende der Bewegung aus dem Gleichgewicht geriet.
    Dann stürzten wir beide in den Dreck, den Müll, den Ammoniakgestank der Abwässer der Verarbeitungsfabrik, und dort kämpfte ich mit ihm um den Haken.
    Nahm ihm das Ding ab.
    Schlug zu und schaffte es – mit mehr Glück als Verstand –, ihm damit den Bauch aufzureißen.
    Seine Kraft verschwand wie Wasser durch einen Abfluss. Er stieß ein lautes Röcheln aus, die Augen weit aufgerissen und starr auf meine gerichtet. Ich starrte zurück, während immer noch Wut und Furcht durch die Adern an meinen Schläfen pochten, während jeder chemische Schalter in meinem Körper umgelegt war. Mir war kaum bewusst, was ich soeben getan hatte. Dann sackte er nach hinten weg in den Müllhaufen. Er saß darin wie in einem Lieblingssessel. Ich rappelte mich von den Knien auf, alkalischer Schleim tropfte mir vom Gesicht und aus dem Haar, immer noch in seinem Blick gefangen, immer noch den Griff des Hakens umklammernd. Sein Mund machte flatternde Bewegungen, aus seiner Kehle kamen feuchte, verzweifelte Laute. Ich blickte hinunter und sah, dass seine Gedärme immer noch am Haken hingen, den ich festhielt.
    Dann erwischte mich der Schock. Meine Hand öffnete

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