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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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der ersten sich bietenden Gelegenheit durchficken wird.
    Sie fragt sich, was, zum Teufel, du mit den Seelen so vieler toter Priester vorhast.
    Todor Murakamis schmale, aufmerksame Züge auf der Fähre. Pfeifenrauch, der vom Wind zerfetzt wird.
    Worum geht es denn nun bei diesem Schwindel? Ich dachte, du hängst neuerdings mit Radul Segesvar herum. Heimatliche Nostalgie und billiges organisiertes Verbrechen. Und warum gehst du wieder nach Norden?
    Es wird Zeit, wieder in die Gänge zu kommen. Kümmere dich um den anstehenden Job.
    Der anstehende Job. Ja, der wird ganz sicher all deine Probleme lösen, Micky.
    Hör auf mich so zu nennen, Arschloch!
    Und Schreie. Und klaffende Löcher, in Genickhöhe in Wirbelsäulen geschnitten. Und in meiner Hand das Gewicht der kortikalen Stacks, an denen immer noch Gewebereste kleben. Und die Leere, die nie wieder ausgefüllt sein würde.
    Sarah.
    Der anstehende Job.
    Ich versuche dir zu helfen, verdammt’.
    … beeil dich…
    Ich verlasse mich auf dich…
    Scheiße, ich versuche…
    … beeil dich.
    Ich VERSUCHE…
    »Küste in Sicht.« Suzi Petkovskis Stimme rieselte aus dem Kabinenlautsprecher, lakonisch und fest genug, um danach greifen zu können. »Treffen in fünfzehn Minuten in Sourcetown ein.«
    Ich dämpfte meine Grübeleien und blickte nach links, wo sich die Küste von Kossuth wie eine flache Klinge heranschob. Sie erhob sich als dunkler, buckliger Strich auf dem ansonsten gestaltlosen Horizont, dann schien sie näher heranzuspringen und löste sich in eine Prozession niedriger Hügel und gelegentlich aufblitzender weißer Dünen dahinter und dazwischen auf. Die Rückseite von Vchira, die ertrunkenen Stümpfe einer uralten Gebirgskette, die im Verlauf geologischer Epochen zu einer siebenhundert Kilometer langen gekrümmten Kurve abgewetzt worden war, einer von Sümpfen gesäumten Gezeitenbarriere auf der einen Seite und einer Fläche aus kristallinem weißen Sand auf der anderen.
    Eines Tages, hatte mich ein langjähriger Bewohner von Sourcetown vor fast einem halben Jahrhundert belehrt, wird das Meer hier auf ganzer Länge durchbrechen. Durchbrechen und sich in die Tang-Lagune ergießen, wie eine Invasionsarmee, die eine seit langem umstrittene Grenze überschritt. Die letzten noch vorhandenen Bastionen schleifen und den Strand verwüsten. Eines Tages, Mann, hatte der Sourcetowner langsam wiederholt und mich mit einem Ausdruck angegrinst, den ich inzwischen als typische Surfer-Gleichgültigkeit kategorisiert hatte, eines Tages, aber noch nicht jetzt. Und bis es so weit ist, solltest du nur aufs Meer hinausschauen, Mann. Schau einfach nur hinaus, dreh dich nicht um und mach dir keine Sorgen darum, wodurch alles zusammengehalten wird.
    Eines Tages, aber noch nicht jetzt. Schau einfach nur aufs Meer hinaus.
    Das war wohl so etwas wie eine Philosophie. Zumindest auf Vchira Beach sah man es häufig so. Eine vielleicht recht eingeschränkte Philosophie, aber ich hatte anderswo schon schlimmere Ansätze erlebt, sich in Beziehung zum Universum zu setzen.
    Der Himmel war aufgeklart, als wir den südlichen Bereich der Lagune erreicht hatten, und im Sonnenlicht erkannte ich nun erste Anzeichen menschlicher Besiedlung. Sourcetown war eigentlich gar keine richtige Stadt, eher eine Annäherung, ein lockerer Oberbegriff für einen hundertsiebzig Kilometer breiten Küstenstreifen mit der zur Versorgung der Surfer nötigen Infrastruktur. In der flüchtigsten Form existierte das alles als vereinzelte Zelte und Ballonkammern am Strand, seit Generationen genutzte Lagerfeuerstellen und Grillplätze, Hütten und Bars aus grob geflochtenem Belatang. Die Dauerhaftigkeit der Gebäude nahm zu und wieder ab, während man sich dem Strip näherte und dann an den Stellen vorbeikam, an denen die Brandung nicht nur einfach gut, sondern phänomenal war. Und in den Big-Surf-Zonen verdichtete sich die Besiedlung sogar bis zu beinahe städtischem Ausmaß. Tatsächliche Straßen tauchten auf den Hügeln hinter den Dünen auf, begleitet von fester Straßenbeleuchtung und Ballungen von Plattformen und Landestegen aus Beton, die aus dem Rückgrat des Landes sprossen und sich in die Tang-Lagune vorschoben. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte es fünf solcher Ansammlungen gegeben, jede mit ihrer eigenen Fangruppe, die schwor, die beste Brandung des Kontinents wäre genau hier, Mann. Soweit ich es einschätzen konnte, hätten alle Recht haben können. Und inzwischen gab es wahrscheinlich noch fünf

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