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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinauf, um sie zu massieren, wo ich mein Zeichen hinterlassen hatte. Ich nickte.
    »All das hier, Mikhail. Was um dich herum vorgeht. Das ist das Leben.« Ich beugte mich näher an ihn heran, und er zuckte zusammen. »Interessiere dich. Solange du es noch kannst.«
    Der Skimmer stieß sanft gegen etwas. Ich richtete mich auf und trat hinaus auf das Seitendeck in plötzliche Hitze und Helligkeit. Wir schwammen zwischen einem Geflecht aus verwitterten Spiegelholzstegen, die in strategischen Abständen durch schwere Anlegepfeiler aus Beton gesichert waren. Die Motoren des Skimmers murmelten weiter und übten sanften Druck gegen die nächste Anlegestelle aus. Die Spätnachmittagssonne blendete grell auf dem Spiegelholz. Suzi Petkovski stand im Cockpit auf und kniff die Augen in der Helligkeit zusammen.
    »Das wäre also der doppelte Preis«, erinnerte sie mich.
    Ich reichte ihr einen Chip und wartete, während sie den Betrag abbuchte. Mikhail zog es vor, die Kabine nicht zu verlassen. Vielleicht dachte er über alles nach. Hoffentlich. Seine Mutter gab mir den Chip zurück, legte eine Hand an die Augenbrauen und streckte den anderen Arm aus.
    »Da drüben, etwa drei Straßen weiter, gibt es einen Laden, wo Sie Gondeln mieten können. Neben dem Sendemast, den Sie dort sehen. Der mit den Drachenwimpeln.«
    »Danke.«
    »Kein Problem. Ich hoffe, Sie finden hier, wonach Sie suchen.«
     
    Ich ließ die Gondelvermietung links liegen, zumindest vorläufig, und streifte zu Fuß durch die kleine Stadt, um die Umgebung in mich aufzunehmen. Bis zum nächsten Hügel hätte es genauso eine Lagunenvorstadt von Newpest sein können. Hier herrschte die gleiche zweckmäßige Architektur vor, die gleiche Ladenfassadenmischung aus Mech- und Soft-Geschäften, durchsetzt von Restaurants und Bars. Der gleiche fleckige, abgenutzte Straßenbelag aus Verbundglas und die gleichen Grundgerüche. Aber oben auf dem Hügel hörte die Ähnlichkeit schlagartig auf, als würde man aus einem Traum erwachen.
    Unter mir zerfiel die andere Hälfte der Ansiedlung in wahllos angeordnete Bauten, die aus jedem nur erdenklichen Material errichtet worden waren. Ballonkammern drängten sich an Blockhäuser oder Hütten aus Treibholz, und ganz unten gab es sogar echte Leinenzelte. Die gepflasterten Zugangsstraßen gingen in schlecht verlegte Betonplatten über, die zu Sandpfaden wurden und schließlich im breiten, blassen Strandstreifen verliefen. Hier herrschte viel mehr Bewegung auf den Wegen als auf der Lagunenseite, meistenteils nur leicht bekleidet und in der späten Sonne auf die Küste zutreibend. Jeder dritte trug ein Brett unter dem Arm. Das Meer selbst war poliertes schmutziges Gold im flach einfallenden Licht und mit Aktivität gescheckt – Surfer, die neben ihren Brettern schwammen oder aufrecht stehend lässige Schnörkel in die sich sanft wölbende Wasseroberfläche schnitten. Die Sonne und die Entfernung machte sie alle zu anonymen schwarzen Stanzfiguren.
    »Scheiß-Aussicht, was, sam?«
    Es war eine hohe Kinderstimme, die nicht zu den Worten passen wollte. Ich blickte mich um und sah einen Jungen von etwa zehn Jahren, der mich aus einem Eingang beobachtete. Ein Kindersleeve. Der Körper rippendürr und bronzebraun, in Surferhose, die Augen in sonnenverblasstem Blau. Das Haar verworren wie aus dem Meer. Er lehnte sich gegen den Türrahmen, die Arme lässig über der bloßen Brust verschränkt. Hinter ihm sah ich Regalbretter im Laden. Wechselnde Bildschirmanzeigen für Aquatech-Software.
    »Ich hab schon Schlimmeres gesehen«, gab ich zu.
    »Zum ersten Mal auf Vchira?«
    »Nein.«
    Enttäuschung färbte seine Stimme. »Also nicht an Unterrichtsstunden interessiert?«
    »Nein.« Ich hielt kurz inne und schätzte die Ratsamkeit ein. »Leben Sie schon lange am Strip?«
    Er grinste. »All meine Leben. Wieso?«
    »Ich suche nach ein paar Freunden. Ich dachte, vielleicht kennen Sie sie.«
    »Aha? Sind Sie Bulle oder so was?«
    »Seit einiger Zeit nicht mehr.«
    Das schien die richtige Antwort zu sein. Sein Grinsen kehrte zurück.
    »Haben sie auch Namen, diese Freunde?«
    »Als ich das letzte Mal hier war, schon. Brasil. Ado. Tres.« Ich zögerte. »Vielleicht auch Vidaura.«
    Er verzog und schürzte die Lippen, sog scharf die Luft ein. Mimik, die in einem anderen, deutlich älteren Körper erlernt worden war.
    »Jack Soul Brasil?«, fragte er vorsichtig.
    Ich nickte.
    »Sind Sie ein Käfer?«
    »In letzter Zeit nicht.«
    »Multiflores-Gang?«
    Ich

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