Heiliger Zorn
Verfremdung und Austausch unter Zeugen, damit ich nicht versuche, mich für ihn auszugeben. Ein Erste-Klasse-Klon, standardmäßig mit der kompletten Peripherie ausgestattet. Netter Deal, was?«
Ich nickte geistesabwesend. »Ja, wenn er pfleglich mit seinen Sleeves umgeht. Die Lebensweise mancher Aristos, die ich erlebt habe, kann zu schweren Abnutzungserscheinungen führen.«
»Nein, dieser Typ ist gut in Form. Kommt immer wieder hier runter, um nach seiner Investition zu schauen, wissen Sie, um etwas zu schwimmen und zu surfen. Wäre auch diese Woche runtergekommen, aber wegen dieser Harlan-Skimmer-Sache ging es nicht. Er hat ein bisschen überflüssiges Gewicht angesetzt und kann natürlich nicht mehr wie ein Ass surfen. Aber das kriege ich problemlos wieder hin, wenn ich…«
»Harlan-Skimmer-Sache?« Das Envoy-Bewusstsein schlitterte an meinen Nervenbahnen entlang.
»Ja, klar. Seichi Harlans Skimmer. Der Typ steht diesem Zweig der Familie ziemlich nahe und musste…«
»Was ist mit Seichi Harlans Skimmer passiert?«
»Sie haben noch nichts davon gehört?« Milan blinzelte und grinste. »Wo sind Sie gewesen, sam? Gestern wurde überall im Netz darüber berichtet. Seichi Harlan war mit seinen Söhnen und seiner Schwiegertochter nach Rila unterwegs, und sein Skimmer wurde einfach im Reach zerstört.«
»Wie zerstört?«
Er zuckte die Achseln. »Das weiß man noch nicht genau. Das Ding ist einfach explodiert. Nach den Aufnahmen, die gezeigt wurden, offenbar von innen. Ist innerhalb weniger Sekunden untergegangen, das, was noch davon übrig war. Sie suchen immer noch nach den Teilen.«
Dazu war viel Glück nötig. Der Mahlstrom machte sich zu dieser Jahreszeit über einen sehr weiten Bereich bemerkbar, und die Strömungen im Reach waren auf tödliche Weise unvorhersehbar. Versinkende Trümmer konnten kilometerweit davongetrieben werden, bevor sie liegen blieben. Die zerfetzten Überreste von Seichi Harlan und seiner Familie konnten an einem Dutzend verschiedener Stellen landen, irgendwo zwischen den verstreuten Inselchen und Riffen des Millsport-Archipels. Die Bergung der Stacks wäre ein Albtraum.
Meine Gedanken flüchteten sich zurück zu Kohei-Belawolle und Plex’ takeseligem Gemurmel. Ich weiß es nicht, Tak. Wirklich, ich habe keine Ahnung. Es war irgendeine Waffe, irgendwas aus den Siedlerkriegen. Er hatte auf etwas Biologisches getippt, aber von sich aus zugegeben, dass sein Wissen unvollständig war. Er war durch hochrangige Yakuza und Aiura, das Faktotum der Harlan-Familie, ausgeschaltet worden. Aiura, die im Auftrag der Harlans für Schadensbegrenzung und Aufräumarbeiten sorgte.
Ein anderer Detailfetzen rutschte in meinem Kopf an die richtige Stelle. Drava im Schnee. Wie ich in Kurumayas Vorzimmer gewartet hatte, wie ich desinteressiert auf die durchlaufenden globalen Nachrichten gestarrt hatte. Unfalltod eines Harlan-Erben von geringerer Bedeutung im Hafenbezirk von Millsport.
Es war keine klare Verbindung, aber die Envoy-Intuition arbeitete auch nicht auf diese Weise. Sie akkumulierte lediglich Daten, bis man allmählich einen Umriss in der Ansammlung erkannte. Bis sich die Verbindungen von selbst bemerkbar machten. Ich konnte noch nichts erkennen, aber ich hörte das Klimpern der Fragmente wie ein Windspiel im Sturm.
Das und den winzigen beharrlichen Puls im Hintergrund: Beeil dich, beeil dich, es ist nicht mehr viel Zeit.
Ich tauschte einen nur vage erinnerten Handschlag mit Milan aus und machte mich eilig auf den Weg zurück über den Hügel.
Die Gondelvermietung war noch erleuchtet und mit einem gelangweilt wirkenden Angestellten mit Surfer-Physiognomie besetzt. Er wachte lange genug um die Augen herum auf, um festzustellen, dass ich kein Wellenreiter war, weder ein Anfänger noch sonst was, und schaltete sehr schnell auf mechanischen Kundendienstmodus zurück. Die Abschirmung seines Tagesjobs über dem kurz aufblitzenden Kerns, der ihn in Vchira am Leben erhielt, die Intensität des Enthusiasmus, die sorgfältig wieder eingepackt wurde, bis er sie mit jemandem teilen konnte, der verstand. Aber er schwatzte mir durchaus kompetent eine grellfarbene, schnelle Gondel mit Einzelsitz auf, und er zeigte mir die Straßenkartensoftware mit den Rückgabefilialen, die ich über die ganze Länge des Strips nutzen konnte. Auf Nachfrage stellte er mir auch einen Passform-Polmetall-Schutzanzug mit Helm zur Verfügung, obwohl deutlich war, dass seine ohnehin nicht sehr hohe Meinung von mir in
Weitere Kostenlose Bücher