Heiliger Zorn
und injizierte sich die Ladung. Die Anspannung verschwand aus ihrer Körperhaltung, und das Schaudern, das der Droge ihren Namen gab, durchlief sie von den Schultern an abwärts.
Schauder war ziemlich harmloser Stoff – es bestand zu etwa sechs Zehnteln aus einem Betathanatin-Analogon, mit ein paar take-Extrakten verschnitten, unter deren Einfluss alltägliche Haushaltsgegenstände eine hypnotische Faszinationskraft entwickelten und ganz und gar unschuldige Bemerkungen unkontrollierte Kicheranfälle auslösen konnten. Lustig, wenn alle Anwesenden es nahmen, nervtötend für alle, die es nicht taten. In erster Linie machte es einen langsam, und ich schätzte, dass Jad genau das wollte, wie die meisten anderen DeComs.
»Sie sind aus Newpest?«, erkundigte ich mich.
»Hm-mm.«
»Wie ist es da heutzutage so?«
»Oh. Wunderschön.« Ein kaum unterdrücktes sarkastisches Grinsen. »Die hübscheste Sumpfstadt auf der Südhalbkugel. Immer einen Besuch wert.«
Sylvie beugte sich vor. »Kommen Sie aus Newpest, Micky?«
»Ja. Ist aber schon lange her.«
Die Wohnungstür summte und faltete sich auf. Orr kam zum Vorschein, immer noch mit nacktem Oberkörper. Über seine rechte Schulter und den Hals war eine großzügige Ladung orangefarbener Gewebekleber verschmiert. Er grinste, als er Jadwiga sah.
»Du bist also high, was?« Er trat ein und warf eine Hand voll Klamotten in den Sessel neben Sylvie, die angewidert die Nase rümpfte.
Jad schüttelte den Kopf und hielt dem Hünen das leere Röhrchen hin. »Down. Ich bin definitiv down. Bis auf die Flatline runtergekühlt.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Drogenproblem hast, Jad?«
Kleine Speicheltropfen liefen der zierlichen Frau aus dem Mundwinkel. Sie versuchte sichtlich, ein Kichern zu unterdrücken, und hatte damit ebenso wenig Erfolg wie bei ihren anderen Gemütsäußerungen. Orrs Grinsen wuchs in die Breite. Er ahmte das Zittern eines Junkies nach, zuckte und glotzte wie ein Idiot. Jadwiga brach in Gelächter aus. Es war ansteckend. Ich sah das Lächeln auf Sylvies Gesicht und erwischte mich selbst bei einem Schmunzeln.
»Und wo ist Kiyoka?«, erkundigte sich Orr.
Jad machte eine Kopfbewegung zur Tür, durch die sie eingetreten war. »Schläft.«
»Und Lazlo ist immer noch hinter dieser Waffenbraut mit dem Wahnsinnsausschnitt her, was?«
Sylvie blickte auf. »Was meinst du?«
Orr blinzelte. »Du weißt schon. Tamsin, Tamita, wie auch immer sie hieß. Die aus der Bar am Muko.« Er knetete und drückte seine Brustmuskeln mit den Handflächen fest in Richtung Brustbein. Als der Druck seine frische Operationsnarbe erreichte, verzog er schmerzerfüllt das Gesicht und hörte auf. »Kurz bevor du dich allein verpisst hast. Himmel, du warst doch dabei, Sylvie. Ich hätte nicht gedacht, dass man diesen wandelnden Waffenschrank vergessen kann.«
»Sie ist nicht dafür ausgerüstet, solche Art von Bewaffnung zu bemerken«, warf Jadwiga grinsend ein. »Kein Konsumenteninteresse. Ich dagegen…«
»Hat jemand von euch was von der Sache in der Zitadelle gehört?«, fragte ich beiläufig.
Orr grunzte. »Ja, hab unten die Nachrichten gesehen. Wie es klingt, hat irgendein Psychotiker die Hälfte der Oberbärte von Tekitomura ausgeknipst. Angeblich fehlen ein paar Stacks. Der Typ hat sie ihnen offenbar einfach aus dem Rückgrat geschnitten, als ob er sein ganzes Leben lang nichts anderes gemacht hätte.«
Mit fiel auf, dass Sylvies Blick über meinen Mantel abwärts zur Tasche wanderte und sich dann zu meinen Augen hob.
»Ziemlich unzivilisiert«, bemerkte Jad.
»Ja, aber auch ziemlich sinnlos.« Orr nahm die Flasche von der Küchenanrichte. »Diese Typen wollen sich sowieso nicht resleeven lassen. Einer ihrer Glaubenssätze.«
»Scheißfreaks.« Jadwiga zuckte die Achseln und verlor das Interesse. »Sylvie meinte, dass du dir da unten ein paar Dorphine geholt hast.«
»Das habe ich.« Der Hüne schenkte sich mit demonstrativer Sorgfalt ein Glas Whisky ein. »Danke auch, Sylvie.«
»Ach, Orr. Komm schon!«
Später, als das Licht gedämpft und die Atmosphäre in der Wohnung in nahezu komatösem Maße entspannt war, schob Sylvie die auf einem Sessel zusammengesunkene Jadwiga aus dem Weg und beugte sich zu mir. Ich erfreute mich gerade am Fehlen von Schmerzen in meiner Seite. Orr hatte sich schon vor einer ganzen Weile in ein anderes Zimmer abgesetzt.
»Du warst das?«, fragte sie leise. »Diese Sache in der Zitadelle?«
Ich nickte.
»Aus
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