Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
irgendeinem bestimmten Grund?«
    »Ja.«
    Kurze Stille.
    »Also«, sagte sie schließlich. »Dann war das wohl nicht ganz die Micky-Nozawa-Rettungsaktion, nach der es aussah, hm? Du warst sowieso schon in die Sache verwickelt.«
    Ich lächelte, ein wenig high vom Endorphin. »Vielleicht hatte ich einfach nur Dusel.«
    »Na schön. Micky Dusel – das klingt gar nicht schlecht.« Sie blickte kritisch in die Tiefen ihres Glases, das genau wie die Flasche schon seit einer ganzen Weile leer war. »Ich muss zugeben, dass ich dich mag, Micky. Ich kann nicht mit dem Finger drauf zeigen, warum, aber es ist eben so. Ich mag dich.«
    »Ich mag dich auch.«
    Sie wedelte mit dem Finger – vielleicht war es der, mit dem sie nicht so recht auf meine liebenswerten Qualitäten deuten konnte. »Hier geht es nicht um. Sex. Ist das klar?«
    »Ja, völlig klar. Hast du gesehen, was für ein Loch ich in den Rippen habe?« Ich schüttelte benommen den Kopf. »Natürlich hast du das. Spektrochemischer Sichtchip, nicht war?«
    Sie nickte nicht ohne Stolz.
    »Kommst du wirklich aus einer Entsagenden-Familie?«
    Sie zog eine säuerliche Miene. »Ja. Aus ist in dem Zusammenhang das Wort, das es auf den Punkt bringt.«
    »Sie sind nicht stolz auf dich?« Ich zeigte auf ihr Haar. »Ich hätte gedacht, dass so was als ziemlich gewichtiger Schritt in Richtung Upload zählt. Logisch gesehen…«
    »Ja, logisch gesehen. Wir reden hier von einer Religion. Entsagende sind letztlich genauso irrational wie die Scheißbärte.«
    »Also hältst du nichts davon?«
    »Die Meinungen zu diesem Thema gehen auseinander«, erklärte sie mit gespielter Sensibilität. »Die Aspiranten, die eine harte Linie vertreten, halten nichts davon – sie lehnen alles ab, was Konstruktsysteme fest in physischen Wesen verwurzelt. Die Glaubensrichtung der Präparanden will sich einfach nur mit allen gut stellen. Sie meinen, wie du es ausgedrückt hast, dass jedes Virtualitätsinterface ein Schritt in die richtige Richtung ist. Sie erwarten ohnehin nicht, dass sie den Upload noch erleben werden. Für sie sind wir alle nur die Dienstmädchen einer Entwicklung, die irgendwann ans Ziel führt.«
    »Und zu welchem Flügel gehört deine Familie?«
    Sylvie rutschte auf dem Sessel umher, runzelte die Stirn und schob Jadwiga noch ein Stück beiseite, um sich Platz schaffen.
    »Früher waren sie gemäßigte Präps. Mit dieser Religion bin ich aufgewachsen. Wegen der vielen Bärte und der ganzen AntiStack-Geschichte sind allerdings in den letzten Jahrzehnten viele Moderate zu Hardliner-Aspis geworden. Meine Mutter dürfte das Gleiche gemacht haben – sie gehörte schon immer zum ernsthaft frommen Typ.« Sylvie hob die Schultern. »Ich weiß es einfach nicht. Ich war seit Jahren nicht zu Hause.«
    »Wie das so ist, was?«
    »Ja, wie das so ist. Es gibt einfach keinen Grund. Sie würden höchstens versuchen, mich an irgendeinen ortsansässigen Junggesellen zu verheiraten.« Sie schnaufte. »Als ob das passieren würde, solange ich dieses Zeug trage!«
    Ich schob mich in eine aufrechtere Position. Von den Drogen war mir etwas schwindelig. »Was für ein Zeug?«
    »Das hier.« Sie zog sich an einem Büschel Haarsträhnen. »Dieses Scheißzeug.«
    Die Strähnen knisterten zwischen ihren Fingern und versuchten sich wie tausend winzige Schlangen fortzuwinden. Dickere Stränge bewegten sich verstohlen unter der zerzausten schwarz-silbernen Masse wie Muskeln unter Haut.
    Kommando-Datentechnik der DeComs.
    Ich hatte bereits ein paar davon gesehen – eine Prototypvariante auf Latimer, wo die Entwicklungsabteilungen der neuen Mars-Maschinen-Interfaceindustrie gerade heißliefen. Im Hun-Home-System hatte ich mitgekriegt, wie man einige von ihnen als Minensucher eingesetzt hatte – das Militär brauchte nie besonders lange, um die neueste Technologie für ihre eigenen Zwecke zu bastardisieren. Ergab durchaus Sinn. Immerhin kamen sie auch in rund der Hälfte aller Fälle für die Entwicklungskosten auf.
    »Es ist nicht unattraktiv«, bemerkte ich vorsichtig.
    »Oh, sicher.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, suchte den Hauptstrang heraus und löste ihn vom Rest. Eine Ebenholzschlange in ihrer Faust. »Das ist also attraktiv, was? Schließlich wird jeder heißblütige Mann es lieben, wenn ein Glied von doppelter Schwanzlänge auf Kopfhöhe im Bett rumzappelt, stimmt’s? Das gibt einen hübschen Mix aus Konkurrenzangst und schleichender Homophobie.«
    Ich gestikulierte vage. »Na ja,

Weitere Kostenlose Bücher