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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben?«
    »Dazu gehen die Vorstellungen auseinander.« Das Konstrukt hob eine schlanke Hand und zählte mit den dünnen Fingern. »Manche behaupten, dass sie per Needlecast vom Planeten gebracht wurde, entweder in einen Sicherheitsspeicher im Weltraum…«
    »O ja, das klingt echt wahrscheinlich.«
    »… oder zu einer anderen besiedelten Welt, wo sie Freunde hatte. In diesem Zusammenhang sind Adoracion und Nkrumahs Land die beliebtesten Theorien. Eine andere Theorie geht davon aus, dass man sie gespeichert hat, nachdem sie auf New Hokkaido eine Kampfverletzung erlitten hatte und man mit ihrem Tod rechnete. Dann erholte sie sich, ihre Gefolgsleute ließen die Kopie zurück oder vergaßen sie einfach…«
    »Klar. Genau das würde einem mit dem Bewusstsein seiner verehrten, heldenhaften Anführerin bestimmt passieren.«
    Grabung 301 runzelte verärgert über die Unterbrechung die Stirn. »Die Theorie geht von weitläufigen, chaotischen Kampfhandlungen, von zahlreichen plötzlichen Todesfällen und einem allgemeinen Zusammenbruch der Kommunikation aus. Zu solchen Zuständen kam es bei den Kampfhandlungen auf New Hokkaido an mehreren Punkten.«
    »Hmm.«
    »Ein anderer Standort, der für wahrscheinlich gehalten wird, ist Millsport. Die auf diese Zeit spezialisierten Historiker haben darauf hingewiesen, dass die Makita-Familie hoch genug in der Mittelklasse stand, um Zugang zu vertraulichen Speichereinrichtungen zu haben. Viele Datenmaklerfirmen haben erfolgreiche Rechtsstreite ausgefochten, um die Anonymität solcher Stacks zu erhalten. Die Gesamtkapazität vertraulicher Datenspeicher allein in Millsport wird auf über…«
    »Und welche Theorie hältst du für die richtige?«
    Das Konstrukt brach so abrupt ab, dass es vergaß, den Mund zu schließen. Ein Flimmern lief durch die projizierte Gestalt. Winzige Maschinencodeanzeigen blinkten kurz an ihrer rechten Hüfte, auf der linken Brust und über den Augen auf. Ihre Stimme wurde flach und mechanisch.
    »Ich bin ein Harkany-Datensystem- Servicekonstrukt, geeignet für grundlegende Interaktionen. Diese Frage kann ich nicht beantworten.«
    »Kein Glauben, was?«
    »Ich nehme nur Daten und die Wahrscheinlichkeitsgradienten, die sich daraus ergeben, zur Kenntnis.«
    »Klingt vernünftig. Also rechne es dir aus. Was ist am wahrscheinlichsten?«
    »Der wahrscheinlichste Schluss aus den verfügbaren Daten ist, dass Nadia Makita an Bord des Quellistenjetkopters über Alabardos war, dass sie dort vom Orbitalfeuer atomisiert wurde und nicht mehr existiert.«
    Ich nickte erneut und seufzte.
    »Genau.«
     
    Sylvie kam ein paar Stunden später zurück und brachte frisches Obst und eine selbsterhitzende Dose gewürzte Krabbenküchlein mit. Wir aßen, ohne viel zu reden.
    »Bist du durchgekommen?«, fragte ich.
    »Nein.« Sie schüttelte kauend den Kopf. »Irgendwas stimmt da nicht. Ich fühle es. Ich kann sie da draußen spüren, aber ich kann es nicht eng genug eingrenzen, um eine Sendeverbindung herzustellen.«
    Ihre Augenbrauen senkten sich zu einem Stirnrunzeln, das aussah, als hätte sie Schmerzen.
    »Etwas stimmt nicht«, wiederholte sie leise.
    »Du hast doch nicht etwa das Kopftuch abgenommen, oder?«
    Sie blickte mich an. »Nein. Ich habe das Tuch nicht abgenommen. Es beeinträchtigt nicht die Funktionalität, Micky. Es kotzt mich nur an.«
    Ich zuckte die Achseln. »Das geht uns beiden so.«
    Ihre Augen wanderten zur Tasche, in der ich für gewöhnlich die entnommenen kortikalen Stacks bei mir trug, aber sie sagte nichts weiter dazu.
    Für den Rest des Tages gingen wir uns aus dem Weg. Sylvie saß die meiste Zeit am Datengitter, wobei sie dann und wann Veränderungen in der bunten Anzeige auslöste, ohne es zu berühren oder zu sprechen. Einmal ging sie ins Schlafzimmer, legte sich für eine Stunde ins Autoformbett und starrte an die Decke. Als ich auf dem Weg ins Bad einen Blick zu ihr hineinwarf, bemerkte ich, dass ihre Lippen sich stumm bewegten. Ich duschte, stand am Fenster, aß Obst und trank Kaffee, auf den ich nicht mal Lust hatte. Schließlich ging ich raus und schlenderte am Fuß des Horstes entlang, wobei ich halbherzig mit Grabung 301 plauderte, die sich aus irgendeinem Grund entschieden hatte, mich zu begleiten. Vielleicht war sie nur dabei, um zu gewährleisten, dass ich nichts kaputtmachte.
    Eine unbestimmte Spannung hing in der kalten Bergluft. Wie Sex, den man sich verkniff, wie schlechtes Wetter im Anmarsch.
    Es kann nicht auf ewig so weitergehen, war

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