Heiliges Feuer
verletzen, geraten sie in hormonelle Erregung.«
»Ich bin kein Topmodel.« Jedenfalls fühlte sie sich nicht so. Sie hatte das Kleid zerreißen müssen. Sie hatte Reinigungscreme, einen Schwamm und eine halbe Stunde gebraucht, um sich den Klebstoff vom Leib zu schrubben. Sie hatte es nicht gewagt, mit der intelligenten Perücke zu schlafen, und beim Aufwachen stellte Maya fest, dass sie schlaff und leblos geworden war. Sie wusste nicht einmal, wie sie neue Software laden sollte.
»Das mag wohl sein, aber ein Sandhaufen ist noch lange kein böhmischer Kristall, meine Liebe.«
»Ich will Fotografin sein und kein Model.«
»Nur nichts überstürzen. Bevor du andere Leute mit einer Linse quälst, solltest du lernen, mit einer Kamera umzugehen. Ein paar Fotosessions vor Ort werden dich das rechte Mitgefühl mit deinen zukünftigen Opfern lehren.« Novak tupfte sich die Lippen mit einer Serviette ab, stand auf und leerte seinen Reisekoffer aufs Bett.
Im doppelten Boden waren zwei Schichten grauer Schaumstoffformteile untergebracht. Vier hochspezialisierte Brillen. Linsen mit 35, 105, 200 und 250 Millimeter Brennweite. Zwei verformbare Fischaugenobjektive und ein Fotogrammeter. Ein Stativ. Filter. Zwei Kameragehäuse. Verbindungskabel. Zehn Meter abstimmbarer laserleitender Blitzdraht. Klebeband. Ein dickes Grafiknotebook mit einem hochempfindlichen Retuschierstab und Zusatzspeicher. Mehrköpfige Fotolampen, zusammengerollte Reflektoren, Filterhalterungen, Adapterringe, Metallfolie, ein kleiner Supraleiter.
Maya blinzelte. »Sie haben doch gesagt, Sie hätten Ihre Ausrüstung nicht dabei.«
»Ich sagte, ich hätte meine Ausrüstung nicht zur Modenschau mitgebracht«, meinte Novak. »Außerdem ist das hier nichts Besonderes. Da ich schon mal herkommen musste, dachte ich mir, ich könnte ein paar von diesen hübschen römischen Kanaldeckeln fotografieren ... Aber Modeaufnahmen! Welche Herausforderung.«
»Kann Vietti uns nicht helfen? Er beschäftigt doch zahllose Leute, da könnte er uns auch ein paar abtreten.«
»Schätzchen, Giancarlo und ich, wir sind Profis. Das Spiel, das wir miteinander spielen, hat zwei Regeln. Gewinne ich, gebe ich Giancarlo genau das, was ich ihm geben will. Er hält den Mund und bezahlt. Verliere ich, lastet die ganze schreckliche Bürde seines taktvollen Rats auf meinen Schultern.«
»Oh.«
Novak musterte das auf der Bettdecke ausgebreitete Arsenal an Photonensammlern und zupfte nachdenklich an seiner großen, gealterten, verknorpelten Knollennase. »Bei einer Modesession geht es nicht um Stillleben, dazu braucht man ein Team. Modefotos nimmt man nicht auf, man macht sie. Ein Stylist für die Kleidung, ein Arrangeur ... für die Requisiten ist ein tüchtiger Studioservice unabdingbar. Und wir brauchen einen Location Scout ... Und Haardesigner, Kosmetiker ...«
»Wo kriegen wir diese vielen Leute her?«
»Wir engagieren sie. Die Rechnungen gehen schließlich an Giancarlo. Das ist das Gute dabei. Weniger gut ist, dass ich in Rom über keine Kontakte verfüge. Und da mich geschäftliche Fehler in den Ruin getrieben haben, besitze ich auch kein Kapital.«
Maya musterte ihn nachdenklich. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass Novak eine Menge Geld besaß, doch diese Quelle anzuzapfen hätte bedeutet, ihm zehn Liter Blut abzunehmen. »Ich hätte vielleicht ein bisschen Geld«, meinte sie zögernd.
»Tatsächlich? Das sind ja aufregende Neuigkeiten, meine Liebe.«
»Ich kenne eine Frau in Bologna, die uns helfen könnte. Sie hat eine Menge Freunde, sie sich mit virtueller Realität und Kunst beschäftigen.«
»Junge Leute? Amateure.«
»Ja, Josef, junge Leute. Sie wissen, was das bedeutet, nicht wahr? Es bedeutet, dass sie umsonst für uns arbeiten werden, und anschließend können wir für sie veranschlagen, was wir für richtig halten.«
»Na ja«, meinte Novak nachdenklich, »trotzdem sind sie Amateure, aber fragen kostet nichts.«
»Ich werde sie fragen. Ich glaube, sie werden mitmachen. Um sie zu fragen, brauche ich die nötige Ausrüstung. Kennen Sie zufällig eine hübsche, diskrete Netsite in Rom, die mit veralteten Protokollen arbeitet?«
Die Antwort bereitete Josef Novak keine Schwierigkeit. »Die Villa Curonia«, sagte er sogleich. »Die alte, verruchte Villa Curonia, was sonst. Eine wundervolle Umgebung für ein Location-Shooting.«
Die Villa Curonia war eine ehemalige Privatresidenz und lag in Monteverde Nuovo. Hinter den mit Glasscherben gekrönten
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