Heiliges Feuer
lebendige Freunde auf und lass dir von ihnen helfen. Bring sie anschließend alle mit in die Villa. Beeil dich! Vergiss das Fahrrad, nimm ein Taxi. Wenn du Probleme kriegst, ruf mich an. Hast du mich verstanden? Okay, dann los!«
Brett verharrte blinzelnd auf der Stelle.
»Worauf wartest du noch?«
»Auf gar nichts«, erwiderte Brett. »Das ist bloß alles so aufregend. Ich bin ja so froh, für dich zu arbeiten.«
»Los, beeil dich!«
Brett stolperte los. Josefs erste frisch angefertigten Kleider trafen per Kurier ein. Es handelte sich um Kostüme. Tragekomfort boten sie nicht. Das waren Kamerarequisiten, für Photonen gemacht.
In den Zwanzigern hatte man viel von Naturfasern gehalten, doch die Kostüme enthielten keine einzige Naturfaser. Sie bestanden aus gestrecktem und geschrumpftem Plastikgewebe und kleinen Plastikmaschen. Die Kostüme waren nicht besonders luftdurchlässig und raschelten laut, wenn man sich bewegte, sahen aber himmlisch aus. Zupfte man sie zurecht, behielten sie die Form und spotteten der Schwerkraft.
»Sieht so aus, als hätten sich die Ausgaben gelohnt.«
»Die Khornak-Brüder rauben uns aus«, stöhnte Novak. »Sechzehn Prozent Transaktionsgebühr! Ist das denn zu glauben?«
Maya schälte ein mandarinfarbenes Cape-Kleid vom Kleiderstapel und probierte es an. »Solange sie diskret sind, ist das kein Problem.«
»Maya, bevor wir anfangen, möchte ich etwas von dir wissen. Weshalb wird die Session aus den Mitteln der nicht mehr existierenden Produktionsfirma eines toten Hollywoodregisseurs bezahlt?«
»Tatsächlich?«, sagte Maya und besah sich die bedruckten Ärmel. »Eigentlich sollte das Geld vom Projektfonds eines Bologneser Technikerkollegs kommen.«
»Mit derlei kindischen Ausflüchten kannst du vielleicht einen sehr geduldigen Steuerbeamten zum Narren halten. Bei mir und diesen miesen kleinen Hehlern zieht das nicht.«
Maya seufzte. »Josef, zufällig besitze ich etwas Erwachsenengeld. Es stammt von einem gewissen Erwachsenen, und er hätte es mir wirklich nicht geben sollen. Das Geld ist nicht gut für mich, und ich muss es loswerden. Diese Villa ist eine gute Gelegenheit dazu. Finden Sie nicht? Das hier ist eine Schwarzmarkt-Netsite. Das hier ist Rom, eine sehr alte und sehr verruchte Stadt. Und das ist die Modebranche, wo die Leute ständig aus nichtigen Gründen gewaltige Geldsummen zum Fenster hinauswerfen. Wenn ich das Geld nicht unter diesen Umständen waschen kann, dann schaffe ich es nie.«
»Es ist riskant.«
»Risiko ist mein Leben. Denken Sie nicht an das dumme Geld. Zeigen Sie mir, was Schönheit ist.«
Novak seufzte. »Hier geht es nicht um Schönheit, Schätzchen. Tut mir Leid, aber es geht bloß um Chic.«
»Also gut, dann werde ich mich eben mit Glamour begnügen. Ich hab’s eilig. Ich verlange so viel, Josef. Ich will es gleich.«
Novak nickte bedächtig. »Ja. Das nehme ich dir ab. Genau daher rührt dein Charme, Schätzchen ... das heißt, das bist du, und das ist der Moment, Schätzchen.«
Um halb vier traf Philippe ein, um sie zu schminken. Philippe brachte ein Geschenk mit: eine Modeperücke aus dem Emporio Vietti. Die neue Perücke hatte einen eingebauten Übersetzer, der vierundsiebzig Sprachen beherrschte und über ein durchsichtiges Kabel mit dem rechten Ohr verbunden war. Novak meinte, es sei »typisch Vietti«, über die entwendete Perücke so demonstrativ hinwegzusehen und den Einsatz mit einem noch viel besseren Exemplar zu verdoppeln.
Die Perücke war auf dreiundzwanzig Frisuren vorprogrammiert, Viettis taktvoller Versuch, Einfluss auf die Fotosession zu nehmen. Es wäre unhöflich gewesen, ein solch praktisches und nützliches Geschenk zurückzuweisen. Novak aber ärgerte sich über diese kleine Stichelei seines ehemaligen Gönners. Der Ärger versetzte Novak in einen Zustand kreativer Raserei.
»Ich will dir erklären, was ich von dir erwarte, Schätzchen«, murmelte Novak. »Worum es heute geht. Der Reiz des Unheimlichen liegt in der Pikanterie des in sich Widersprüchlichen begründet. Weißt du, wie das Leben in den Zwanzigern war? Natürlich nicht. Das kannst du nicht wissen, aber du musst so tun als ob, mir zuliebe ... Als Giancarlo und ich noch jung waren, schien alles möglich. Jetzt schreiben wir die Neunziger, und alles ist möglich - aber wenn man jung ist, ist es einem nicht gestattet, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
Maya nickte mit unbewegter Miene, darauf achtend, dass ihr
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