Heiliges Feuer
schrien Maya auf italienisch an. Dies waren die jüngsten der Paparazzi, was den Umstand erklärte, dass sie bereitwillig rannten. Einige von ihnen reckten optisch leitende Drahtringe hoch und tauchten das feuchte Pflaster in ein Blitzlichtgewitter. Maya lächelte sie geschmeichelt an. Als die Paparazzi ihre Reaktion bemerkten, schrien sie noch lauter und begeisterter.
»Spricht hier jemand englisch?«, fragte Maya.
Die sie umkreisenden und sie durch funkelnde Linsen hindurch anstarrenden Paparazzi berieten sich kurz. Schließlich drängte von hinten eine junge Frau nach vorn. »Ich spreche englisch! Wollen Sie wirklich mit uns reden?«
»Klar.«
»Großartig! Wir wollen alle wissen, wie Sie das angestellt haben.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wie sind Sie an diese Riesenchance gekommen?«, fragte das Mädchen und nahm eilig den Übersetzerknopf aus dem Ohr. Sie war Amerikanerin. »Haben Sie das allein geschafft?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann verdanken Sie das also Ihrem Begleiter? Sponsort er Sie? Welcher Art ist Ihre Beziehung? Und wie heißen Sie beide eigentlich?«
»Ich bin Maya, und das ist Mr. Josef Novak. Unsere Beziehung ist ganz unschuldig.«
Novak lachte. »Sag das nicht! Ich bin tief bewegt, Urheber eines Skandals zu sein.«
»Woher kennen Sie Giancarlo Vietti? Wie alt sind Sie? Wo kommen Sie her?«
»Sag ihnen gar nichts«, riet ihr Novak, »sollen sich die armen Schweine ruhig den Kopf zerbrechen.«
»Seien Sie doch nicht so«, flehte die junge Paparazza. Sie drängte Maya ihre Visitenkarte auf. Auf der schäbigen Karte waren lediglich ein Name und eine Netzadresse aufgedruckt. »Darf ich Sie später interviewen, Signorina Maya? Wo kommen Sie her?«
»Wo kommen Sie her?«, entgegnete Maya.
»Aus Kalifornien.«
»Aus welcher Stadt?«
»San Francisco.«
Maya starrte sie entgeistert an. »Warte mal! Das ist ja unglaublich! Wir kennen uns doch! Du bist Brett!«
Brett lachte. »Sorry, so heiße ich nicht.«
»Doch, du bist es! Du heißt Brett und warst mit einem gewissen Griff befreundet, und ich habe dir mal eine Jacke abgekauft.«
»Also, ich heiße nicht Brett, und ein Model von Giancarlo Vietti trägt bestimmt keine Jacke von mir.«
»Du bist Brett, du hattest eine Klapperschlange! Was in aller Welt machst du hier in Rom, Brett? Und was hast du mit deinem Haar angestellt?«
»Hören Sie, ich heiße Natalie, okay? Und was glauben Sie wohl, was ich hier mache? Ich hänge vor einer Modenschau auf dem kalten Pflaster rum und klaube die Krümel auf, das mache ich.« Brett nahm die Brille ab und musterte Maya verwundert. »Woher wissen Sie über mich Bescheid? Kennen wir uns wirklich? Woher?«
»Aber ich bin’s doch, Brett! Ich bin Maya«, sagte Maya und schauderte plötzlich von Kopf bis Fuß. An ihrem Rücken löste sich ein fingerbreites Stück Klebstoff. Sie fror. Und auf einmal fühlte sie sich elend. Schwindelig und benommen.
»Wir kennen uns nicht«, beharrte Brett. »Ich habe Sie noch nie gesehen! Was geht hier eigentlich vor? Wollen Sie mich verarschen?«
»Das Taxi ist da«, sagte Novak.
»Bleiben Sie!« Brett packte sie am Arm. »Wissen Sie, dass es eine Million Mädchen gibt, die jemanden umbringen würden, nur um einmal einen Laufsteg zu betreten? Was muss ich tun, um eine solche Chance zu bekommen? Sagen Sie’s mir!«
»Rühren Sie sie nicht an!«, fauchte Novak. Brett prallte zurück, als habe sie eine Kugel getroffen.
»Wenn Sie wüssten, wie es dort drinnen war«, sagte Novak, »würden Sie morgen heimreisen! Legen Sie sich an den Strand, seien Sie eine junge Frau, leben Sie, atmen Sie! Das dort drinnen ist nichts für Sie. Dafür hat man gesorgt, lange bevor Sie geboren wurden.«
»Mir ist schlecht, Josef«, wimmerte Maya.
»Steig ein.« Novak schob sie ins Taxi. Die Türen schlossen sich. Brett stand einen Moment lang wie benommen da, dann sprang sie vor und hämmerte gegen die Scheibe, lautlos schreiend. Das Taxi fuhr los.
Am nächsten Morgen stellte Maya fest, dass im Netz Artikel über sie erschienen waren. Vietti hatte ihr weiße Nachthyazinthen geschickt, und acht Journalisten hatten angerufen. Einer der Journalisten hatte von der Lobby aus angerufen. Er wartete dort auf sie.
Das Frühstück ließen sie sich in Novaks Zimmer servieren. »Du bist nicht in der Verfassung, um mit richtigen Journalisten zu sprechen«, erklärte Novak. »Journalisten sind die natürlichen Feinde der Topmodels. Wenn sie irgendwelche Dinge aufdecken, die dich tief
Weitere Kostenlose Bücher