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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Make-up nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. »Ja, Josef, das verstehe ich. Sehr gut sogar.«
    »Das Unheimliche ist Schönheit macchiato, Schätzchen, leicht befleckte Schönheit - befleckt mit Schuldbewusstsein, mit dem Monströsen. Das hat Vietti wirklich in dir gesehen, als er meinte, du sähest reizend aus. Und um diese Welt für die Alten vollkommen sicher zu machen, haben wir das Leben der Jungen auf wahrhaft niederträchtige Art und Weise verändert, verstehst du.«
    »Ist das nicht ungerecht, Josef? Sie sind sehr streng in Ihrem Urteil.«
    »Unterbrich mich nicht. Vietti kann sich diese Wahrheit nicht vergegenwärtigen, ohne sich seine Komplizenschaft einzugestehen. Deshalb war er fasziniert von dir.« Novak schwenkte seinen Arm. »Heute wirst du dich in die längst vergangene Jugend der Gerontokratie verwandeln, in eine gefährliche Liebschaft mit der zerschmetterten Jugend der Moderne. Eine unmögliche Verschwörung, ein traumhafter Bruch. Ein Spiel mit dem Gefühl und der Nostalgie, im Kern aber ein wenig gefährlich, ein wenig pervers. Ich habe vor, den alten Mann mit der Nase drauf zu stoßen. Er wird nicht alles wahrnehmen, weil er die Erkenntnis der ganzen Wahrheit nicht zulassen kann; aber das, was er wahrnehmen kann, wird ihn zur Liebe nötigen.«
    Sie machten sich an die Arbeit. Maya in Schwarz, an ein halbtotes antikes VR-Gerät gelehnt. Maya, wie sie ein ausgestopftes Wiesel und einen dicken Umschlag an einen mürrischen, halbnackten Boten überreichte (dargestellt von einem römischen Bekannten Bretts). Maya mit einer Cyberbrille, die an eine Dominomaske erinnerte, während ihr einer von Khornaks Wachposten den Siegelring küsste. (Der vom Glamour geblendete Mann war besonders gut in seiner Rolle.) Maya, ein Paket von Drogenpflastern verschmähend, während sie so tat, als rauche sie eine Zigarette. Eine nachdenkliche Maya im Kerzenschein, in hochhackigen Schuhen auf dem Boden hockend und über eine kleine Spielkartenburg aus römischen Bustickets gebeugt.
    Erst zehn, dann ein Dutzend, schließlich zwanzig Jugendliche in Straßenkleidung tauchten in der Villa auf. Novak baute sie in die Bilder ein. Gesichtslos und zu Mayas Füßen über den Boden kriechend, wirkte ihre billige und lebendige Kleidung im Halbdunkel nahezu grotesk.
    Als Maya die unfertigen Bilder auf Novaks Notebook betrachtete, war sie entzückt und entsetzt. Entzückt, weil sie so schön wirkte. Entsetzt, weil Novaks Phantasien so aufschlussreich waren. Er hatte sie in einen bezaubernden Atavismus verwandelt, in eine Königin der Unterwelt, deren verbotener Chic auf einen Mob monströser Kinder abzielte. Novaks Glamour war eine Lüge, die die Wahrheit aussprach.
    Nachts um halb zwei fuhr Novak mit dem Taxi zum Hotel zurück. Der alte Mann hatte sich lange nicht mehr so verausgabt. Er war ganz zitterig vor Erschöpfung; in Anbetracht seiner hundertzwanzig Jahre kein Wunder.
    Als Novak fort war, warfen die Khornak-Brüder, die wegen der lebendigen Jugendlichen zunehmend nervös geworden waren, alle zusammen mit einem Durcheinander von Requisiten hinaus.
    Die Jugendlichen verabschiedeten sich mit lautem Hallo, fuhren auf klapprigen Fahrrädern davon oder quetschten sich zu sechst in ein Taxi. Als Brett und Maya die geliehenen Requisiten in Augenschein nahmen, stellten sie fest, dass die Statisten eine Handvoll kleiner, aber wertvoller Gegenstände entwendet hatten. Brett war den Tränen nahe. »Das ist typisch«, sagte sie. »Also wirklich, man gibt den Leuten eine Chance, endlich einmal eine richtige Chance, und das ist nun der Lohn. Ein Schlag ins Gesicht.«
    »Sie wollten ein paar Souvenirs behalten, Brett. Sie haben uns ihre Zeit zur Verfügung gestellt, und wir haben ihnen nichts dafür gezahlt, daher macht es mir nichts aus. So teuer kann ein ausgestopftes Wiesel schließlich nicht sein.«
    »Aber ich habe den Verkäufern versprochen, gut auf die Sachen aufzupassen. Und ich habe den Kids eine ganz besondere Chance geboten, und sie haben mich bestohlen.« Brett schüttelte den Kopf und schniefte. »Die kapieren’s einfach nicht, Maya. Die römischen Kids sind anders als wir. Das ist, als hätte man alles Lebendige aus ihnen herausgequetscht. Sie tun nichts, sie versuchen’s nicht einmal, sie hängen bloß bei der Spanischen Treppe herum, trinken Frappes und lesen. Man mag’s ja kaum glauben, aber sie lesen. Man braucht ihnen bloß ein dickes Papierbuch in die Hand zu drücken, und schon setzen sie sich hin und schalten

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