Heiliges Feuer
gut. Wann brauchst du das alles?«
»Am Dienstag.«
»Ich rufe dich zurück.«
Die Wohnung der Schauspielerin kam nicht infrage. Novak? Das konnte sie nicht machen. Paul? Vielleicht, aber ... lieber doch nicht. Klaus? Seit sie regelmäßg im Tete verkehrte, hatte sie herausgefunden, dass Klaus ein sehr interessanter Mensch war. Klaus hatte viele Bekannte auf allen Ebenen der Prager Gesellschaft. Klaus war ein wahrer Doyen. Klaus war überall in Prag bekannt und respektiert, schien aber niemandem gegenüber Verpflichtungen zu haben; Klaus gehörte niemandem. Klaus mochte sie sogar, aber ...
Emil! Das war’s!
Sie erfüllte Thereses Wünsche, so gut sie konnte. Gegen zwei Uhr in der Nacht zum Dienstag bekam sie einen Dringlichkeitsanruf von Therese. »Bist du schon auf?«
»Jetzt ja, meine Liebe.«
»Kannst du herkommen? Ich sitze im Cafe Chyba im siebenundvierzigsten Stock dieser übergroßen Kaninchenhöhle, die du mir besorgt hast.«
»Ist alles in Ordnung, Therese?«
»Nein, das kann man nicht sagen«, erwiderte Therese kleinlaut. »Du musst herkommen und etwas mit mir trinken.«
Maya kleidete sich eilig an und fuhr zum Cafe. Für den Weg brauchte sie vierzig Minuten. Als sie im Cafe Chyba eintraf, hielt sich niemand darin auf. Es handelte sich um eine makellos saubere und völlig leblose, vollautomatisierte kleine Bar, genau der richtige Aufenthaltsort, wenn man in einem achtzigstöckigen modernen tschechischen Hochhaus um drei Uhr morgens eine emotionale Krise bekam. Dem Mangel an Besuchern nach zu schließen waren emotionale Krisen in dem Hochhaus ziemlich selten. Emils Eltern wohnten hier, weilten derzeit praktischerweise aber für einen Monat in Finnland. Das hieß, in Suomen Tasavalta, wie man jetzt dazu sagte.
Maya bestellte von einem abstoßend aufgeweckten kleinen Roboter ein Mineralka. Sie nippte daran und wartete.
Therese tauchte gegen halb vier auf. Sie setzte sich auf den Rand eines Barhockers und rang sich ein Lächeln ab. Sie hatte geweint.
»Maya«, sagte sie und ergriff ihre Hand. »Du bist ja so erwachsen geworden.«
»Die Perücke lässt mich reifer aussehen«, log Maya fröhlich.
»Du bist so schick! Du bist so ... Na ja, um ein Haar hätte ich dich nicht mehr wiedererkannt. Kann ich dir noch vertrauen?«
»Weshalb erzählst du mir nicht einfach von deinen Schwierigkeiten, Therese? Alles andere klären wir dann später.«
»Er hat mich geschlagen.«
»Tatsächlich? Lass uns zu ihm gehen und ihn umbringen.«
»Er ist schon dabei«, sagte Therese und brach in Tränen aus.
Thereses Freund hatte sie bis jetzt noch nie geschlagen, aber da er kurz vor dem Selbstmord stand, war er offenbar geneigt, ihre Beziehung zu verschärfen. Er hatte sie mit einem Ledergürtel auf Rücken und Po geschlagen. Thereses Freund war ein korsischer Gangster.
Thereses Freund war kein netter Gangster. Er hatte nichts Nettes an sich. Er war ein Karrierekrimineller, ein consiglione der Schwarzen Hand; Schutzgelderpresser, Zuhälter, Tinktursüchtige. Geldwäscher in großem Maßstab. Beziehungsmakler. Leute, die Richter bestochen und Polizisten zu Falschaussagen bewegten. Mörder. Männer, welche die Füße ihrer Opfer in Zementeimer steckten. Er war sechzig Jahre alt und nannte sich Bruno, wenn er nicht gerade einen anderen Namen benutzte.
»Wie hast du den Typ kennengelernt?«
»Was meinst du wohl? Ich betreibe einen Graumarktladen in der Modebranche. Da habe ich auch mit Gaunern zu tun. Mafiosi kleiden sich sehr elegant, und manchmal stehlen sie Klamotten und verkaufen sie anschließend. Die Modebranche ist sehr alt. Verstehst du? Sie ist sehr alt und hat ein paar Gespenster im Schrank versteckt. Ich bin eine Kleinkriminelle. Mafiosi sind Großkriminelle. Manchmal fälschen sie Modeartikel, manchmal treiben sie Schutzgelder ein. Sowas kommt vor. Es passiert einfach.« Therese zuckte die Achseln.
Maya trommelte mit den Fingern in langsamem Rhythmus auf die Theke.
»Die Wohnung, die du uns besorgt hast, gefällt ihm«, meinte Therese. »Es ist lustig, die letzte gemeinsame Nacht in der Wohnung einer Bourgeoise zu verbringen.«
»Ich kann’s einfach nicht glauben.«
»Bruno ist ein richtiger Mann«, erklärte Therese. »Ich mag richtige Männer. Ich mag es, wenn sie nicht viel Getue machen. Ich mag es, wenn Männer ...« Sie überlegte kurz. »Wenn sie sich richtig gehenlassen.«
»Das ist ein ungesundes Hobby, Schätzchen.«
»Leben bedeutet Risiko. Ich mag es, wenn sie richtige Männer
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