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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sind. Wenn es ihnen allein darum geht, ein Mann zu sein. Das ist aufregend. Das ist das wahre Leben. Ich hätte nie gedacht, dass er mich mal schlagen würde. Aber heute Nacht hab ich alles gemacht, was er wollte. Und dann wollte er mich schlagen. Es ist seine letzte Nacht auf Erden. Ich hätte nicht so viel weinen sollen. Ich hätte dich nicht anrufen sollen. Ich bin ein großes Kind.«
    »Therese, das ist wirklich krank.«
    »Nein, ist es nicht«, erwiderte Therese verletzt. »Es ist bloß altmodisch.«
    »Wie konntest du dir sicher sein, dass er dich nicht ermorden würde?«
    »Er ist ein Ehrenmann«, sagte Therese. »Jedenfalls erweise ich ihm morgen einen großen Gefallen.«
    Bruno war todkrank. Therese vermutete, dass es sich um Leberkrebs handelte. Sicher war sie sich nicht, denn Bruno hatte sich seit fast vierzig Jahren nicht mehr in die Nähe eines Diagnosegeräts begeben. Zunächst hatte ihn sein Strafregister ereilt und ihm den Zugang zu lebensverlängernden Maßnahmen verwehrt. Dann hatte er sich auf dem medizinischen Schwarzmarkt allerlei äußerst interessanten und in höchstem Maße illegalen Behandlungen unterzogen. Der zusätzliche Hoden war noch das mindeste.
    Bruno war entschlossen, außerhalb der Reichweite der Politas zu sterben. Sollten die Behörden seinen Leichnam in einem der nekropolitanen Emulgatoren zersetzen, würden von Dublin bis Wladiwostok die Alarmglocken läuten. Die Schwarze Hand stand in der uralten Tradition der omertä, des Schweigens bis in den Tod. Heutzutage reichte die Verschwiegenheit bis über den Tod hinaus.
    Brunos und Thereses Romanze war ganz simpel abgelaufen. Therese hatte ihn mit zwanzig in Marseille kennengelernt. Bruno war stets gut gekleidet, er besaß eine geheimnisvolle Aura und wirkte sehr gefährlich. Therese fand diese Kombination unwiderstehlich. Bruno gefiel sie, weil sie jung und niedlich war, weil sie keine Belastung für ihn darstellte, zu allem bereit und dankbar für seine Gefälligkeiten war. Hin und wieder machte er ihr ein Geschenk: Schuhe, Kleider, Reizwäsche, ein Kurzurlaub an der Cote d’Azur. Er machte sie mit einer ausgesprochen lebendigen Seite des Lebens bekannt.
    Als sie sich dem Kleiderhandel zuwandte, erwies Bruno sich als besonders nützlich. Hin und wieder hatte sie Schwierigkeiten mit den Kunden und Lieferanten. Wenn ihm danach war, kam Bruno auf einen Sprung vorbei und redete mit den Betreffenden mal ein ernstes Wörtchen. Die Wirkung war stets nachhaltig.
    Bisweilen behandelte Bruno sie grob. Bei einem Mann, der fähig war, die Füße seiner Feinde in Zement einzugießen, war dies nicht erstaunlich. Nicht, dass Bruno Therese zuliebe tatsächlich jemanden ermordet hätte. Andernfalls hätte er es ihr gesagt. »Er prügelt sich nicht zum Vergnügen«, erklärte Therese. »Er prügelt sich, um seinen Willen durchzusetzen. Er ist der Mann, der Boss, er hat das Sagen. Manchmal zwingt er jemanden, ihm zu gehorchen. So ist er halt.«
    »Das klingt wirklich schlimm«, sagte Maya.
    Therese ruckte gereizt mit dem Kopf. »Glaubst du etwa, jeder Kriminelle in Europa wäre wie dein Jimmy, der Taschendieb, diese Niete? Bruno ist ein Soldat! Er ist ein Boss.«
    »Wie ist es Jimmy ergangen?«, fragte Maya. »Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört.«
    »Ach, er wurde geschnappt«, antwortete Therese. »Jimmy war ein Dummkopf. Er wurde eingesperrt. Man hat ihn einer Gehirnwäsche unterzogen.«
    »O je«, meinte Maya. »Armer Ulrich. Hat sich sein Verhalten dadurch geändert?«
    »Radikal«, sagte Therese düster. »Früher hat er Touristinnen die Handtaschen geklaut. Jetzt tut er nützliche Dinge rein und gibt sie den Frauen zurück, wenn sie gerade nicht hinsehen.«
    »Zumindest hat man ihm seine anarchistischen Überzeugungen gelassen.«
    »Ach, die Politas macht so viel Aufhebens um die Verhaltensmodifikation«, meinte Therese. »Kaum dass sie sich einen fiesen Kerl wie Jimmy schnappen, den man eigentlich von einer Brücke stoßen sollte, drücken all die Liberalen im Netz auf die Tränendrüse. Wirklich, die Bourgeois sind verrückt.«
    »Was hast du nun mit Bruno vor?«
    »Wir fahren morgen in den Schwarzwald. Dann bringt er sich um. Ich begrabe ihn an einem geheimen Ort. So lautet unsere Abmachung. Das ist unser Geheimnis.«
    »Junge Dame, man sollte Liebhaber erst dann begraben, wenn sie sehr, sehr alt sind.«
    »Ich war schon immer der Zeit voraus, deshalb gerate ich ja auch ständig in Schwierigkeiten.« Therese seufzte. »Würdest du

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