Heiliges Feuer
schlechte Kleidung fürs Grabschaufeln. Der einzige modische Akzent rührte vom Furoshiki her. Sie hatte ihn auf Oliv und Khaki eingestellt, um nicht aufreizend zu wirken.
Sie befolgten Brunos Anweisungen. Das Ergebnis war kein normales Grab, sondern eine konisch zulaufende Grube mit einer runden Öffnung von der Größe eines Kanaldeckels. Bruno warf ein paar letzte Schaufeln Erde heraus, dann erklärte er ihnen Theorie und Praxis geheimer Bestattungen.
Vor allem käme es dabei auf rasche und vollständige Zersetzung an. Gehe die Zersetzung rasch genug vonstatten, blähe sich der Leichnam alsbald auf. Dieser Nebeneffekt führe dazu, dass die Grababdeckung in Mitleidenschaft gezogen werde. Daher müsse man die Rippen an beiden Seiten durchsägen, damit sich die Eingeweide entlüften könnten.
Bruno öffnete den Koffer. Er hatte an alles gedacht. Seine Ausrüstung zeugte von häufigem Gebrauch. Er hatte eine altmodische batteriebetriebene Knochensäge aus Keramik mitgebracht und die Spritze irgendeines Pferdedoktors, deren dicke Stahlkanüle selbst Aluminiumblech durchbohrt hätte.
Bruno entkleidete sich. Vom Hals bis zu den Lenden war er mit Tätowierungen bedeckt. Schlangen. Rosen. Handfeuerwaffen. Slogans in französischer Gossensprache. An Lektüre hatte es Therese jedenfalls nicht gemangelt.
Bruno kniff sich herzhaft in die Gänsehaut, um zu zeigen, wo die Nadel eindringen sollte. In die Schenkel. In den Bizeps. Ins Gesäß. In den Schädel. Er hatte einen kleinen Kanister hoch wirksamer Faulbakterien mitgebracht. Das Faulmittel würde sich rasch ausbreiten, und sein Körper würde dahinschmelzen wie Talg.
Wenn er friedlich in der Grube läge, sollten sie ihn mit Erde bedecken und anschließend die Grassoden sorgfältig darüberlegen. Unter der Grabbedeckung sollten sie ein wenig Erde aufhäufen. Zunächst würde das auffällig wirken, doch nur in der ersten Zeit, bis der Leichnam in sich zusammenfiele. Natürlich sollten sie auch die Klamotten und das Werkzeug wieder mitnehmen. Nichts Metallisches dürfe liegenbleiben. Nichts, was Aufmerksamkeit hätte erregen können.
»Frag ihn, ob er Metall im Körper hat«, sagte Maya. »Zahnersatz, irgendwas in der Art.«
»Er meint, er sei nicht alt genug, um metallischen Zahnersatz zu haben«, übersetzte Therese. »Er meint, das Einzige, was bei ihm eisenhart ist, wäre sein Schwanz.« Sie brach in Tränen aus.
Bruno zog zwei daumengroße Flüssigkeitsbehälter aus den Taschen seiner abgelegten Hose. Dann kletterte er nackt und gelassen ins Grab.
Er lehnte sich beiläufig zurück und schüttelte den einen daumengroßen Gegenstand in der geschlossenen Faust. Er sprühte sich eine dünne Schicht schwarzer Farbe auf die rechte Hand. Er winkte Therese näher, rief ihr etwas Unverständliches zu. Sie kam näher, schleppenden Schritts, widerwillig, voller Angst. Er ergriff mit seiner schwarz gefärbten Hand sanft die ihre, schüttelte sie fest, zog sie näher, flüsterte ihr etwas zu, küsste sie.
Dann rief er Maya zu sich. Auch sie küsste er. Ein langer, inniger, kontemplativer und sehr bitterer Kuss. Mit der Linken streichelte er über ihren Nacken. Mit der schwarz gefärbten Hand rührte er sie nicht an.
Schließlich ließ er sie los. Nach Luft schnappend taumelte Maya zurück und wäre beinahe zu ihm in die Grube gefallen. Bruno schaute Therese an. Offenbar kämpfte er mit den Tränen. Therese lag hemmungslos schluchzend auf dem Boden und beobachtete ihn.
Dann nahm er den zweiten Gegenstand in die Hand, einen Inhalator. Er steckte sich die Mündung in den Mund, drückte den Hebel nieder und atmete tief ein. Anschließend warf er das Ding weg wie eine erloschene Zigarre und krümmte sich sogleich in Krämpfen. Fünf Sekunden später war er tot.
»Mach das ab!«, schrie Therese. »Mach das ab, mach das ab!« Sie schwenkte die schwarz verfärbte Hand, umklammerte mit der Linken das Handgelenk.
Maya begann, mit Brunos abgelegtem Jackett an der verfärbten Hand zu reiben. »Was ist das?«
»Lacrimogen!«
»Du meine Güte.« Sie rieb fester, passte jetzt aber noch besser auf.
»Ach, ich habe ihn so geliebt«, wimmerte Therese, die sich allmählich in einen hysterischen Heulkrampf hineinsteigerte. »Ich dachte, er wollte mich noch einmal schlagen und mich im Grab ein letztes Mal vögeln. Ich hätte nie gedacht, dass er mir die schwarze Hand geben würde. Ich wünschte, ich wäre tot.« Plötzlich wechselte sie ins Deutsche. »[Wo ist das Gift? Sprüh es mir in
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