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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Welt. Früher waren es sehr viel mehr gewesen, doch die leichtsinnigen Menschen waren an den Seuchen der dreißiger und vierziger Jahre zu Milliarden gestorben. Die Überlebenden waren im wesentlichen vorsichtig und weitblickend. Der Bevölkerungsanteil der leichtsinnigen Menschen war im Schrumpfen begriffen.
    Früher einmal war ein Vermögen nahezu eine Garantie für gute Gesundheit oder zumindest gute medizinische Versorgung gewesen. Heutzutage garantierte Reichtum weit weniger. Menschen, die öffentlich ihre Gesundheit zerstörten, hatten es sehr schwer, vermögend zu bleiben - nicht weil Gesundheit erforderlich gewesen wäre, um reich zu werden, sondern weil man das Vertrauen anderer Menschen brauchte, um Geld zu verdienen und es zu behalten. War öffentlich bekannt, dass man sich gegen die eigene Gesundheit versündigte, so genoss man heutzutage kein Vertrauen mehr. Man war ein Kreditrisiko und ein schlechter Geschäftspartner. Man bekam Punkte abgezogen und erhielt eine billige medizinische Versorgung.
    Auch die billigen Behandlungsmethoden wurden ständig radikal verbessert, daher konnte man ziemlich sicher sein, nach historischen Maßstäben gut abzuschneiden. Doch wer seine Gesundheit zerstörte, starb im Vergleich zur Elite noch immer jung. Es stand jedem frei, seine Gesundheit zu zerstören. Hatte man sich erst einmal ruiniert, ermutigte einen die Politas zum Sterben.
    Es war ein unerbittliches System, doch es war von Menschen erfunden worden, welche zwei Jahrzehnte verheerender Seuchen überlebt hatten. Nach den Seuchen war alles anders geworden, so wie nach einem Weltkrieg nichts mehr bleibt, wie es einmal war. Die Erfahrung des Massensterbens, der Ansteckungsangst und der entvölkerten Städte hatte der Kultur die Bedenken ausgetrieben. Manche Menschen starben, andere nicht. Diejenigen, die sich gegen den Tod zur Wehr setzten, wurden systematisch belohnt, und die, welche sich wie Narren verhielten, wurden zusammen mit dem Rest begraben.
    Natürlich gab es auch Leute, die das ganze Konzept der technischen Lebensverlängerung für moralisch fragwürdig hielten. Ihre moralische Entscheidung wurde respektiert, und es stand ihnen frei, auf der Stelle tot umzufallen.
    Mias Upgrademethode wurde als neotelomerische dissipative Zellentgiftung oder NTDZ bezeichnet. Es handelte sich um eine äußerst radikale, noch wenig angewandte und sehr kostspielige Behandlung. Mia wusste eine ganze Menge über die NTDZ, denn sie war schließlich Medizinökonomin. Sie war zu der Behandlung berechtigt, weil sie gut auf sich achtgegeben hatte. Sie entschied sich dafür, weil sie ihr vielversprechend erschien und weil sie in Spielerlaune war.
    Mia steckte 90 Prozent ihres gesamten Vermögens in die dreißig Jahre gültige Berechtigung, mit NTDZ behandelt zu werden und an ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung zu partizipieren.
    Die NTDZ galt als besonders vielversprechender Entwicklungspfad. In medizinischer Hinsicht erwies sich die Umsetzung als äußerst schwierig. Bei medizinischen Upgrades waren der Umfang des Versprechens und die Schwierigkeit der Umsetzung zumeist eng verknüpft. Wollte man sich für ein solch luxuriöses Upgrade qualifizieren, musste man erschreckend hohe Opfer erbringen. Patienten, die sich für diese Behandlung qualifizierten, investierten auf Zeit ihr gesamtes Vermögen in die Behandlung und die Forschung und Weiterentwicklung. Die finanziellen Aufwendungen wurden mit ordentlichem Gewinn zurückerstattet, falls sich der eingeschlagene Entwicklungsweg auszahlte. Falls nicht, dann war der Geldgeber möglicherweise schon verstorben, ehe die Mittel wieder flüssig wurden.
    Auf Jahre hinaus die Verfügungsgewalt über sein Vermögen zu verlieren, war ein hoher Preis, doch das war nicht das Schlimmste. Der Verlust des Geldes war nicht mehr so schmerzhaft wie in früheren Zeiten. Geld war nicht mehr das, was es einmal gewesen war. Die Politas war niemals eine Gesellschaft der freien Marktwirtschaft gewesen. Von Seuchen bedrohten Menschen lag nichts an freien Märkten. Die Politas war eine von Seuchenpanik getriebene Zwangsverteilungsgesellschaft, und die Peitsche schwangen die lächelnden, beherzten Angestellten des medizinischen Rettungsdienstes. Und die Sozialarbeiter. Und die netten alten Leute.
     
    Mias bevorstehende Tortur war in allen Einzelheiten ausgearbeitet.
    Als erstes musste sie das Essen einstellen. Ihr gesamter Verdauungstrakt würde mit einer sterilisierenden Masse gefüllt werden.
    Dann

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