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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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brachte ihr die Stewardess einen heißen Frappe.
    Um drei Uhr morgens startete das Flugzeug, und sie schlief endlich ein.
    Als sie aufwachte, war es acht Uhr morgens, der 10. Februar 2096. Sie war in Frankfurt.
    Sie stieg aus dem Flugzeug und wanderte im Frankfurter Flughafen umher, verloren und mit verklebten Augen und völlig unbeschwert von Plänen. Sie hatte nicht einmal Geld. Keine Geld- und keine Kreditkarte. Keinen Ausweis. Die Sozialdienstleute vom Flug ließen sich brav überprüfen, aber wenn man es nicht darauf angelegt hatte, beachteten einen die deutschen Beamten nicht.
    Sie trank etwas Wasser an einem Trinkbrunnen, ging dann auf die Toilette, wusch sich Gesicht und Hände und wechselte Unterwäsche und Socken. Ihr Gesicht hatte offenbar kein Make-up mehr nötig, aber es fehlte ihr doch sehr. Ohne Makeup herumzulaufen verunsicherte sie mehr, als keinen Ausweis zu haben.
    Sie trat aus der Toilette und schloss sich anderen Leuten an, damit sie niemandem auffiel.
    Die Menge spülte sie durch zahllose verglaste Hallen und Kioske und über Aufzüge hinunter in einen efeuüberrankten Bahnhof. Die Deutschen mochten Efeu offenbar sehr, zumal wenn es unter der Erde wuchs, wo es eigentlich nichts zu suchen hatte.
    Sie bemerkte ein junges europäisches Mädchen mit sehr kurzem Haar und einer hellroten Jacke. Da sie ebenfalls sehr kurzes Haar hatte und eine hellrote Jacke trug, hielt sie es für geraten, der jungen Frau zu folgen und das gleiche zu tun wie sie. Dies war ein kluger Plan, denn die Frau wusste genau, wo sie hinwollte. Die Frau erstand an einem Sozialdienstkiosk Kekse in einer Papiertüte. Somit holte auch Mia sich eine solche Tüte. Zu bezahlen brauchte sie nicht. Die Kekse waren richtig gut. Sie spürte, wie die vitaminangereicherten, von der Regierung subventionierten nichttoxischen Bestandteile sich in ihrem dankbaren Körper ausbreiteten.
    Als sie ein halbes Dutzend Kekse verschlungen und noch etwas Wasser getrunken hatte, fühlte sie sich recht behaglich und zufrieden mit sich selbst. Ein paar Krümel gab sie dem Hamster.
    Im Bahnhofsgebäude spielten zwölf Männer in weiten Webponchos und mit flachen schwarzen Hüten auf dem Kopf mit Flöten und Gitarren Volksmusik aus den Anden. Die Südamerikaner hatten ein Kartenlesegerät auf einem Pfosten aufgestellt, aber wenn man nicht wollte, brauchte man ihnen nichts zu geben. Man konnte einfach dasitzen und der Gratismusik lauschen. Es gab genügend freie Sitzsäcke und kostenloses Wasser und jede Menge Gratiskekse und eine sehr hübsche Toilette. Soweit sie erkennen konnte, sprach nichts dagegen, dass sie den Rest ihres Lebens im schönen alten Frankfurter Bahnhof verbrachte.
    Es war warm und behaglich, und es war faszinierend, all die unterschiedlichen Europäer mit ihrem Gepäck vorbeiwandern zu sehen. Sie kam sich ein wenig exponiert vor, wie sie da in dem öffentlichen Sitzsack saß und öffentlich ihre öffentlichen Kekse knabberte, aber schließlich belästigte sie ja niemanden. Vielmehr schienen alle, die sie bemerkten, sie für toll zu halten. Die Deutschen lächelten sie an. Zumal die Männer lächelten viel. Als sie eine Stunde totgeschlagen hatte, bemerkte sie in der Menge eine Gruppe Kinder. Sogar die Kinder lächelten sie an.
    Offenbar glaubten alle, sie hätten etwas Wichtiges zu erledigen. Was für ein Witz. Weshalb konnten sie nicht einfach stillsitzen und das Leben genießen? Wozu die ganze Eile? All dieses ziellose Rumgerenne ... Sie würden alle eine Million Jahre leben - war das nicht das Entscheidende? Man konnte einfach in einem Sitzsack liegen, sich im Einklang mit dem Universum fühlen und vollkommen glücklich sein.
    Etwa anderthalb Stunden lang amüsierte sie sich prächtig. Dann schlug ihre Stimmung um. Sie empfand Langeweile. Unruhe. Sie wurde nervös und konnte schließlich nicht mehr stillsitzen. Außerdem hatten die Männer aus den Anden damit begonnen, ihre Lieder zu wiederholen, und das Pfeifinstrument, das sie benutzten, war wirklich nervig. Sie erhob sich und wählte einen Zug aus, wie alle anderen es ebenfalls taten.
    Im Innern des Zuges war es lärmig. Vor lauter Gerede. Der Zug selbst machte überhaupt kein Geräusch, aber die Leute plapperten und aßen Nudeln und tranken Malzbier aus großen Bechern. Der Zug war äußerst schnell und bewegte sich so lautlos wie ein Aal. Er lief auf Schienen, die er jedoch nicht berührte. Sie verstaute die Tasche unter dem Sitz und wünschte, sie hätte Deutsch gesprochen.
    Als

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