Heiliges Feuer
Touristen. Es schmiegte sich wunderbar in ihre Hand. Sie blickte versuchsweise durch den Sucher, dann wandte sie sich herum und zielte auf Ulrichs Gesicht. Er zuckte zurück und schüttelte rasch den Kopf.
Maya überprüfte die Kameraanzeige und löschte die gespeicherten Fotos. »Möchtest du wirklich, dass ich das alles behalte?«
»Ich weiß, dass du es brauchst«, antwortete Ulrich auf englisch.
»Toll.« Sie reinigte die Kamera sorgfältig mit einem Papiertaschentuch.
»[Während du die verrückten Katholiken auf dem Turm angestarrt hast]«, gestand Ulrich, »[habe ich einen Blick in deine Handtasche geworfen. Außer einem angenagten Brezel und ein paar mit Rattenkot verschmutzten Slips war nichts drin. Das hat meine Neugier geweckt.]« Ulrich lehnte sich weiter zu ihr hinüber. »[Ich habe davon Abstand genommen, dir deine wertlose Handtasche zu stehlen. Ich hielt es für besser, dir meinen Schutz anzubieten. Ich weiß nicht, wer du bist, kleine Kalifornierin. Aber du bist ausgesprochen weltfremd. Ohne einen Freund wirst du in Munchen nicht lange durchhalten.]«
Sie schenkte ihm ein Lächeln. Strahlend und voller Zuversicht. »Dann bist du also jetzt mein Freund?«
»[Klar. Ich bin genau die richtige Gesellschaft für dich.]«
»Du bist sehr großzügig. Mit anderer Leute Eigentum.«
»[Ich wäre auch mit meinem eigenen Eigentum großzügig, wenn ich welches hätte.]« Er ergriff ihre Hand und drückte sie ganz sanft. »[Vertraust du mir nicht? Du kannst mir ruhig vertrauen. Dann werden wir viel Spaß miteinander haben.]« Er führte ihre Finger an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf.
Sie entzog ihm ihre Hand, fasste ihm in den Nacken und lehnte sich an ihn. Ihre Lippen trafen sich.
Küssen war einfach toll. Sein Hals, der in dem Wollkragen steckte, strahlte Hitze aus. Sein männlicher Geruch rief alte, erregende Erinnerungen wach. Sie spürte, wie ihre ganze Persönlichkeit ins Wanken geriet und einstürzte, als habe ihr Gehirn in eine Zitrone gebissen. Sie küsste ihn, was das Zeug hielt.
»[Vorsicht, kleine Maus]«, sagte Ulrich und machte sich von ihr los. »[Man beobachtet uns.]«
»Wieso darf ich denn in der U-Bahn keinen Typen küssen?«, fragte sie und wischte sich den Mund am Jackenärmel ab. »Was ist denn dabei?«
»[Eigentlich gar nichts]«, meinte er. »[Aber die Leute könnten sich später an uns erinnern. Das wäre nicht so gut.]«
Maya blickte sich im Wagen um. Ein Dutzend Munchener starrten sie an. Die Deutschen erwiderten ihren Blick ohne ein Fünkchen Zurückhaltung mit tiefem, ernsthaftem Interesse. Maya runzelte die Stirn und hob die Kamera schützend vors Gesicht. Die Deutschen lächelten bloß, winkten ihr zu und schnitten Grimassen. Widerwillig steckte sie die Kamera wieder in die Handtasche. »Wohin fahren wir eigentlich?«
»[Wo möchtest du denn hin?]«
»Irgendwohin, wo wir uns hinlegen können.«
Ulrich lachte erfreut. »[Genau wie ich dachte. Du bist wirklich verrückt.]«
Sie boxte ihn in die Rippen. »Erzähl mir bloß nicht, das hätte dir nicht gefallen, du großer Schwindler.«
»[Klar hat’s mir gefallen. Du bist genau die Frau, nach der ich mein ganzes Leben lang gesucht habe. Du siehst toll aus, weißt du. Wirklich. Du solltest dir das Haar lang wachsen lassen.]« »Ich besorge mir eine Perücke.«
»[Ich besorge dir sieben Perücken]«, versprach Ulrich. Allmählich bekam er einen Schlafzimmerblick. »[Für jeden Wochentag eine. Und Klamotten. Du magst doch hübsche Klamotten, oder? Das sehe ich an deiner Jacke.]«
»Ich mag lebendige Klamotten.«
»[Du bist ausgerissen, um zu leben, kleine Maus? Lebendige Menschen haben eine Menge Spaß.]« Einen Moment lang hatte es ihm den Atem verschlagen, doch die Küsserei hatte noch eine andere Auswirkung auf Ulrich. Er hatte wieder die Initiative übernommen, und es fiel ihm schwer, seine Hände unter Kontrolle zu halten.
»[Fummeln macht mich immer ganz blöd]«, erklärte Ulrich und massierte sich versonnen den linken Oberschenkel. »[Eigentlich sollte ich mit dir in eine billige Absteige gehen, aber ich glaube, ich nehme dich mit in meine Lieblingsräuberhöhle.]« »Eine Räuberhöhle? Wie spannend. Was bräuchte ich mehr?«
»[Bessere Schuhe]«, sagte er ganz ernsthaft. »[Kontaktlinsen. Geldkarten. Perücken. Hautfärbemittel. Minimale Deutschkenntnisse. Einen Stadtplan. Etwas zu essen. Ein Bad. Ein hübsches warmes Bett.]«
In Schwabing stiegen sie aus. Ulrich führte sie zu einem besetzten
Weitere Kostenlose Bücher