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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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uriger waren.
    Sie versuchte, den Fernseher einzuschalten, doch die Batterien fehlten. Nach kurzer Suche stellte sich heraus, dass in sämtlichen elektronischen Geräten die Batterien fehlten. Abgesehen natürlich von den frisch gestohlenen Geräten in ihrer Handtasche. Sie öffnete das Netzgerät und legte die Batterien in den Fernseher ein. Sie schaltete den Fernseher ein.
    Eine deutsche Talkshow erschien auf dem Bildschirm. Der Moderator war ein Bernhardiner. Er hatte eine Schauspielerin eingeladen. Maya räumte systematisch auf, während sie mit einem Ohr die Sendung verfolgte.
    »[Ich habe Probleme mit dem Lesen]«, gestand der Hund in fließendem Deutsch. Er hatte ein struppiges Fell, war aber sehr gut gekleidet. »[Das Sprechen ist etwas anderes. Das kann jeder Hund, wenn er nur die richtige Software hat. Das Lesen aber spielt sich auf einer völlig anderen semantischen Ebene ab. Meine Förderer haben sich alle Mühe mit mir gegeben - das wissen Sie ebensogut wie ich, Nadja. Aber ich möchte hier in aller Öffentlichkeit gestehen, dass das Lesen für die Postcaninen eine große Herausforderung darstellt.]«
    »[Du Armer]«, sagte die Schauspielerin voller Mitgefühl. »[Aber wo liegt das Problem? Es heißt, wir leben in einer postliterarischen Epoche.]«
    »[Wer das sagt, hat nichts begriffen]«, entgegnete der Hund sehr ernsthaft und würdevoll. »[Goethe. Rilke. Grass. Böll. Das sagt doch alles.]«
    Maya war fasziniert von der Kleidung der Schauspielerin. Sie trug ein transparentes Militärkostüm, grünliche durchsichtige Kampfpyjamas und einen Fallschirmspringersweater aus Satin. Ihr Gesicht war wie aus Kamee geschnitten, und ihr Haar war wahrhaft ehrfurchtgebietend. Ihr Haar hätte einen Doktortitel im Fach Faserverarbeitung verdient gehabt.
    »[Wir sind in dieser Epoche ganz auf uns allein gestellt]«, klagte die Schauspielerin. »[Wenn man sich mal vorstellt, was uns heutzutage auf dem Set alles zugemutet wird - diese seltsamen geistigen Räume, in die man die Leute steckt, um eine ordentliche Performance zu erzielen ... Und dann sind da noch diese widerlichen Netzfreaks, diese stinkenden Paparazzi ... Aber weißt du was, Aquinas: Du bist ein Hund. Ich weiß, dass du ein Hund bist. Das ist kein Geheimnis. Aber ehrlich - und das ist mein voller Ernst -, in deiner Sendung fühle ich mich so wohl wie nirgendwo sonst.]«
    »[Das ist sehr freundlich von Ihnen]«, antwortete schwanzwedelnd der Hund. »[Das freut mich mehr, als ich sagen kann. Nadja, erzählen Sie uns ein wenig über diese Geschichte, die bei den Dreharbeiten mit Christian Mancuso passiert ist. Worum ging’s da eigentlich?]«
    »[Also, Aquinas, ganz im Vertrauen]«, sagte die Schauspielerin. »[Ich würde das nicht jedem erzählen ... Aber es war so. Christian und ich sind beide in den Sechzigern, wir sind natürlich keine jungen Leute mehr. Wir waren beide mit diesem Projekt für die Hermes Kino Filmgesellschaft beschäftigt. Wir waren sechs Wochen miteinander auf dem Set. Wir verstanden uns wundervoll - ich hatte mich an seine Gesellschaft gewöhnt, weißt du, wenn wir vom Set kamen, haben wir uns entspannt, zusammen gegessen, über das Drehbuch geredet ... Und eines Abends nahm Christian mich in die Arme und küsste mich! Ich glaube, wir waren beide ziemlich überrascht. Aber es war sehr schön.]«
    »[Natürlich]«, pflichtete der Hund ihr bei.
    »[Und dann kamen wir beide überein, uns einer Hormonbehandlung zu unterziehen. Ich glaube, das war seine Idee.]«
    Das Publikum spendete höflichen Applaus.
    »[So war das. Wir machten gemeinsam eine Hormonbehandlung. Der Sex hat alles verändert. Das war schon eine erstaunlich intensive Erfahrung. Ich muss sagen, dass es mir auf lange Sicht gut getan hat. Es hat mich kreativ weitergebracht. Ich habe es genossen. Sogar sehr. Und Christian auch, das weiß ich.]« »[Woher wissen Sie das?]«, fragte der Hund.
    »[Eine Frau weiß das eben ... Ich glaube, es war die stärkste erotische Erfahrung meines ganzen Lebens! Ich habe Dinge getan, die ich als junge Frau niemals getan hätte. Wenn man jung ist, bedeutet einem Sex zu viel. Man geht zu ernsthaft und verkrampft heran…]«
    »[Berichten Sie weiter]«, meinte der Hund. »[Sie sollten uns ruhig mehr erzählen, solange Sie dazu aufgelegt sind.]«
    »[Na ja, gewisse Dinge wie - also, wir haben gern Verkleiden gespielt. Im Bett.]« Sie lächelte strahlend. »[Ihm hat’s auch gefallen, es war für uns beide wunderbar. Eine Art von Rausch. Ein

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