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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Verlassen des Gebäudes aufgezeichnet wurde. Es gibt bestimmte Techniken, die es einem gestatten, derlei Transaktionen gefahrlos durchzuführen. Einem Neuling lässt sich das Handwerk schwer erklären.]« Ulrich strich heftig über die wollenen Jackenärmel. »[Aber zurück zum Thema. Ich verstehe recht gut englisch, spreche es aber nicht so gut.]« Er lachte. »[Du kannst also englisch mit mir reden, und ich antworte dir auf deutsch über den Ohrhörer, dann kommen wir schon klar.]«
    Sie hatten das Ende der Rolltreppe erreicht und bahnten sich einen Weg durch ein Labyrinth von Kübelpflanzen: Zykadeen, Farne, Ginkgos. »[Wenn jemand eine Sprache nur gebrochen spricht]«, sagte Ulrich, »[neigt man dazu, seinen Intellekt zu unterschätzen. Man wirkt dann immer ein wenig dumm. Dieses Missverständnis hätte uns auf ein völlig falsches Gleis gebracht.]«
    »Okay. Ich verstehe. Du kannst dich hervorragend ausdrücken. Aber du bist ein Dieb.«
    »[Ja, die europäischen Handtaschendiebe können zumeist auf eine gediegene Erziehung verweisen.]« Trotz der Simultanübersetzung hörte sie; aus Ulrichs Stimme den sarkastischen Unterton heraus. Der Übersetzer quetschte die englischen Worte mit genau der richtigen Betonung auf die gleiche Länge wie die sperrigen deutschen Silben zusammen. Daran musste sie sich erst gewöhnen.
    Sie stiegen in die U-Bahn ein und nahmen hinten im Wagen Platz. Ulrich machte sich nicht die Mühe zu bezahlen. »[Man sollte den Schauplatz des Verbrechens möglichst rasch hinter sich lassen]«, murmelte er. Er nahm ihr die Handtasche ab, öffnete sie und leerte den gesamten Inhalt der gestohlenen Handtasche hinein. Diese Operation führte er im höhlenartigen Inneren seines Rucksacks durch. »[Da]«, sagte er und reichte ihr die Handtasche zurück. »[Das gehört jetzt alles dir. Schau mal, was du davon gebrauchen kannst.]«
    »Das ist unredlich.«
    »[Maya, du bist unredlich. Du reist illegal, ohne Ausweis]«, entgegnete Ulrich. »[Willst du redlich sein und wieder heimfliegen? Willst du wirklich zurück zu den Menschen, vor denen du geflohen bist?]«
    »Nein. Nein, das will ich auf gar keinen Fall.«
    »[Damit verstößt du bereits gegen die Regeln. Und du wirst gegen noch mehr dumme Regeln verstoßen müssen. Ohne Ausweis kannst du keinen Job bekommen. Du kannst nicht zum Arzt, du kannst dich nicht versichern. Sollte dich die Polizei mal richtig in die Mangel nehmen, wird man sich deine DNS anschauen und herausfinden, wer du bist. Ganz gleich, woher du kommst, ganz gleich, wer du bist. Die medizinischen Datenbanken der Politas sind ausgezeichnet.]« Ulrich rieb sich das Kinn. »[Maya, weißt du, was der Begriff ›Informationsgesellschaft‹ bedeutet?]«
    »Klar. Ich denke schon.«
    »[Europa ist eine wahre Informationsgesellschaft. Und eine wahre Informationsgesellschaft setzt sich aus Informanten zusammen.]« Ulrich kniff die dunklen Augen zusammen. »[Aus Ratten. Petzen. Judassen. Fieslingen. Bringt der Übersetzer das rüber?]«
    »Ja.«
    »[Dann ist das Gerät gut! Welch hervorragendes Verständnis der deutschen Umgangssprache!]« Ulrich lachte herzhaft und senkte die Stimme. »[Munchen ist ein guter Ort, um sich zu verstecken, denn die Polizei arbeitet sehr langsam. Wenn man es schlau anstellt und Freunde hat, kann man in Munchen als Ausreißer überleben. Aber man braucht bloß einmal aufzufallen, und schon kommen die Bullen und sperren einen ein. Darauf kannst du dich verlassen.]«
    »Bist du ein Illegaler, Ulrich?«
    »[Keineswegs, ich bin ein legaler Deutscher. Dreiundzwanzig Jahre alt.]« Er streckte sich, legte ihr den Arm um die Schulter. »[Ich führe das Leben eines Kleinkriminellen spaßeshalber und aus ideologischen Gründen. Zu viel Ehrlichkeit ist schlecht für die Menschen.]«
    Maya blickte in die Handtasche. Sie verspürte den vagen Drang, sich weiter zu beklagen, doch als sie sah, was für einen Fang sie da gemacht hatten, beschloss sie, den Mund zu halten. Mit der Minibank konnte sie natürlich nichts anfangen, doch es waren auch ein paar Geldkarten dabei. Außerdem ein Munchener U-Bahnticket. Eine Sonnenbrille. Bürste und verschiedene Kämme. Haarlack. Lippenstift (nicht ihre Farbe), Nachtcreme (eine Feuchtigkeitscreme), pH-regulierende Kreide (mit Pfefferminzgeschmack). Mineraltabletten für Aufgüsse. Ein Spritzen-Set. Papiertaschentücher. Ein hübsches kleines Netzgerät. Ein Scroller. Und eine Kamera.
    Maya nahm die Kamera heraus. Ein kleines Digitalgerät für

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