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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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antwortete Maya und klappte die Brille zusammen. »Jedenfalls bis jetzt noch nicht.« Sie wollte Bouboule die Brille zurückgeben.
    »Nein, nein«, meinte Bouboule, »behalt sie nur. Ich besorg dir auch noch eine hübschere. Wie lautet deine Adresse?«
    »Ich habe keine feste Adresse. Keine Netzadresse. Ich bin wirklich bloß auf der Durchreise.«
    »Wohn doch bei mir, wenn dich dein Wanderjahr schon nach Stuttgart geführt hat. Bei meinen Onkeln ist jede Menge Platz.«
    »Das ist sehr freundlich von dir«, sagte Maya. »Ihr seid beide so nett und großzügig - ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    Benedetta und Bouboule sahen einander merkwürdig an. »Keineswegs«, meinte Benedetta. »So ist es bei uns üblich. Wir merken es immer, wenn wir eine Schwester im Geiste vor uns haben.«
    »In der Szene sind wir moderne Frauen«, erklärte Bouboule dunkel, »die beschlossen haben, frei zu sein! Wir alle haben Wünsche, die sich mit dem Status quo nicht vereinbaren lassen. Wir sind Frauen der Gegenwart! Wir blicken alle gemeinsam auf die Sterne, sonst verrecken wir eine nach der anderen in der Gosse.«
    Bouboule beugte sich plötzlich vor. »Was ist denn das? Patapouff hat einen hübschen Moskito gefunden! Das ist ein gutes Omen. Lasst uns unser Blut testen, und dann genehmigen wir uns zur Feier des Tages ein paar Pflaster. Irgendetwas Warmes, Behagliches.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Benedetta, »mein Lipidspiegel ist in letzter Zeit so niedrig ... Vielleicht ein Mineralwasser.«
    »Für mich auch«, sagte Maya.
    »Suchen wir uns einen netten Kerl, der uns die Drinks holt«, meinte Bouboule. Sie zupfte den reglosen Stoffcomputer los und schlang ihn sich um den Kopf.
    »Was ist mit dem Typen, mit dem du gekommen bist?«, wandte Benedetta sich an Maya. »Mit diesem Eugene?«
    »Ich bin nicht mit Eugene hergekommen.«
    »Eugene ist ein Idiot, findest du nicht? Leute, die Algorithmen und Archetypen durcheinander bringen, kann ich nicht ausstehen. Übrigens ist er aus Toronto.«
    »Est-il Quebecois?«, fragte Bouboule interessiert.
    »Toronto liegt nicht in Quebec«, erwiderte Maya.
    »C’est triste. Oh, ciao, Paul.«
    »Du hast mir die Party verdorben, Benedetta«, sagte Paul lächelnd. »Das ist Emil, aus Prag. Er ist Keramiker. Emil, das ist Maya, ein Model, und das ist Benedetta, Programmiererin. Und das ist Bouboule. Sie ist die Schutzheilige unseres Gewerbes.«
    Emil verneigte sich vor Bouboule. »Ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet.«
    »Könnte man so sagen«, erwiderte Bouboule, deren Miene sich verdüstert hatte. Sie erhob sich, küsste Emil flüchtig auf die Wange und entfernte sich. Der Krallenaffe rannte ihr nach und sprang ihr auf die Schulter.
    »Sie waren einmal ein Liebespaar«, erklärte naserümpfend Benedetta.
    Emil setzte sich betrübt. »Stimmt das wirklich?«
    »Red kein dummes Zeug, Benedetta«, scherzte Paul. »Zeig mir mal deinen Furoshiki.« Er stellte sein Notebook ab. »Emil, dieses Teil ist faszinierend, du solltest es dir mal genauer ansehen.« Er krempelte sich die Ärmel hoch.
    Emil blickte Maya an. Er hatte wunderschöne dunkle Augen. »Waren wir vielleicht einmal ein Liebespaar?«
    »Weshalb fragst du?«, entgegnete Maya.
    Emil seufzte schwer. »Paul ist so hartnäckig«, murmelte er. »Er schafft es jedes Mal, mich zu solchen Parties zu überreden, und dann begehe ich schreckliche Peinlichkeiten.«
    Paul schaute vom Bildschirm hoch. »Hör auf zu jammern, Emil. Du hältst dich prima heute. Guck dir mal das Gerät an, das wird dich aufmuntern. Es ist wundervoll.«
    »Ich bin kein digitaler Mensch, Paul. Ich mag Ton. Ton! Das am wenigsten digitale Material auf Erden.«
    »Du sprichst wirklich gut englisch«, sagte Maya und rückte ein Stück näher.
    »Danke, meine Liebe. Sind wir uns wirklich noch nie begegnet?«
    »Nein. Ich war noch nie in Prag.«
    »Dann solltest du dir von mir die Stadt zeigen lassen.«
    Maya blickte von Paul zu Benedetta. Sie unterhielten sich angeregt auf italienisch, fasziniert von dem Stoffcomputer. »Das wäre bestimmt nett«, meinte sie bedächtig. »Was machst du nach der Party?«
    »Was mache ich im Moment?«, konterte Emil. »Bringe mich und alle anderen in Verlegenheit, so ist das. Lass uns Spazierengehen. Ich brauche frische Luft.«
    Maya ließ den Blick durch die Kellerbar schweifen. Niemand beobachtete sie. Es stand ihr frei, zu tun, wonach ihr der Sinn stand. »Also gut«, sagte sie. »Wenn du magst.«
    Sie holte ihre rote Jacke. Emil

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