Heiliges Feuer
eine korpulente Tschechin in taubenblauer Uniform. In der Hand hielt sie einen Koffer.
»»Dobry vecer.«
Maya steckte sich rasch den Vogelnestübersetzer ins Ohr, was ihr mittlerweile zur Gewohnheit geworden war. »Guten Tag. Sprechen Sie englisch?«
»Ja, ein wenig. Ich bin die Vermieterin. Das Haus gehört mir.«
»Ah, ja. Freut mich, Sie kennenzulernen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Ja. Bitte lassen Sie mich rein.«
Maya trat beiseite. Die Hauseigentümerin stürmte ins Zimmer und blickte sich aufmerksam um. Nach und nach glätteten sich ihre Sorgenfalten. Maya schätzte sie auf fünfundsiebzig, vielleicht achtzig. Sehr kräftig. Sehr gut erhalten.
»Sie gehen hier seit Tagen ein und aus«, erklärte die Vermieterin schroff. »Sie sind seine neue Freundin.«
»Ich schätze schon. Äh ... jmenuji se Maya.« Sie lächelte.
»Ich bin Frau Najadova. Sie sind viel reinlicher als das letzte Mädchen. Sind Sie Deutsche?«
»Also, ich bin von Munchen hergekommen. Aber eigentlich bin ich bloß auf der Durchreise.«
»Willkommen in Prag.« Frau Najadova öffnete den Koffer und wühlte in mehreren Faltmappen. Sie nahm einen dicken Stapel laminierter Blätter in englischer Sprache heraus. »Die Broschüren sind für Sie. Lesen Sie sie. Da steht drin, wo man gefahrlos essen kann. Unterkünfte sind aufgeführt. Medizinische Beratung. Ein Stadtplan von Prag. Kulturelle Ereignisse. Das ist ein Gutschein für Schuhe. Bahn- und Busfahrpläne. Hier eine Broschüre der Polizei.« Frau Najadova reichte Maya die Broschüren und einen kleinen Stapel billiger Smartcards. »Viele junge Leute kommen nach Prag. Junge Leute sind sorglos. Einige sind böse. Ein Mädchen im Wanderjahr muss vorsichtig sein. Lesen Sie die offiziellen Broschüren aufmerksam durch. Lesen Sie alles.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen. Wirklich, das bedeutet eine enorme Hilfe für mich. Dekuji.«
Frau Najadova holte eine Smartcard mit goldenem Prägedruck aus der Jackentasche. »Da sind die Gottesdienste drauf gespeichert. Sind Sie religiös?«
»Eigentlich nicht. Vor Drogen nehme ich mich sehr in Acht.«
»Armes Mädchen, da entgeht Ihnen das Beste im Leben.« Frau Najadova schüttelte betrübt den Kopf. Sie setzte den Koffer ab und nahm einen Teleskopgriff und eine Packung steriler Saugschwämme heraus. »Ich muss das Zimmer jetzt untersuchen. Das verstehen Sie doch?«
Maya legte die Broschüren auf die neue Tagesdecke. »Sie meinen, Sie wollen feststellen, ob Ansteckungsgefahr besteht. Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Haben Sie vielleicht ein paar maßgeschneiderte Bazillen oder vielleicht Colibakterien? Irgendetwas, um andere Pathogene zu vertreiben. Dort unter dem Waschbecken riecht es verschimmelt.«
»Die bekommen Sie bei der medizinischen Beratung«, antwortete Frau Najadova sichtlich erfreut. »Melden Sie sich dort zur offiziellen Untersuchung. Dort bekommen Sie alles, was sie zur ordentlichen Haushaltsführung brauchen.«
»Gibt es nicht eine andere Möglichkeit, an Bakterienkulturen heranzukommen? Meine nächste Untersuchung steht eigentlich noch nicht an.«
»Aber die Untersuchung ist kostenlos! Finanziert von der Stadt! Das steht alles in den Broschüren. Wohin man sich wenden soll. Wo man sich melden soll.«
»Ich verstehe. Okay. Vielen Dank.«
Frau Najadova setzte den Mopp zusammen und kroch systematisch wischend und tupfend durchs Atelier. »Der Töpfer hat Mäuse.«
»Hm.«
»Seine Hygiene lässt zu wünschen übrig. Er lässt Essensreste herumstehen, und die ziehen Ungeziefer an.«
»Ich werde darauf achten.«
Frau Najadova war zu einem Entschluss gelangt und hob den Kopf. »Mädchen, Sie sollten das wissen. Die Freundinnen von diesem Verrückten sind nicht glücklich. Vielleicht am Anfang. Am Ende weinen sie immer.«
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, sich wegen mir Gedanken zu machen. Aber seien Sie unbesorgt. Ich verspreche Ihnen, ihn nicht zu heiraten.«
Die Tür ging auf. Herein trat Emil mit ordentlichem Haarschnitt und einer Einkaufstüte in der Hand. Sogleich entspann sich eine heftige Auseinandersetzung auf tschechisch. Es wurde geschrien und gestampft, man überhäufte sich gegenseitig mit Verwünschungen und Vorwürfen. Der Streit wollte gar kein Ende nehmen. Schließlich flüchtete Frau Najadova aus dem Atelier, indem sie den Mopp schüttelte und eine letzte Salve ätzender Drohungen ausstieß. Emil schlug die Tür zu.
»Also wirklich, Emil. War das nötig?«
»Diese Frau ist eine dumme
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