Heimat Mars: Roman (German Edition)
zusammengetreten.«
Die Schlacht war vorbei. Aber wir waren nur winzige Rädchen im Getriebe gewesen.
Ochoa schloss mit den Worten: »Leute, ihr habt Universitätseigentum zerstört, ihr habt nach jedem Gesetzbuch, das mir in den Sinn kommt, gegen Gesetze verstoßen und euch selbst großer Gefahr ausgesetzt. Und was hat es euch gebracht? Glücklicherweise kommt ihr wohl um Gefängnisstrafen herum. Ich habe gehört, dass sich die Ex-Politiker der Zentralisten derzeit zu Dutzenden verdrücken – das schließt wahrscheinlich auch Connor und Dauble ein. Kein vernünftiger Mensch wird euch nach zentralistischem Recht unter Anklage stellen.«
»Was haben sie denn getan?«, fragte Charles.
»Keiner weiß genau, was sie alles angezettelt haben. Aber anscheinend hat die Regierung der Zentralisten der Erde angeboten, in der Marspolitik mitzumischen. Außerdem haben sie Söldnertruppen von Gürtel-BGs angeheuert, die Hellas verminen sollten …«
Die ganze Versammlung schnappte nach Luft. Und wir hatten uns für radikal gehalten!
»Darüber hinaus hatten sie vor, bis Jahresende allen Besitz der BGs zu verstaatlichen.«
Diese Informationen verschlugen uns die Sprache.
Während Sicherheitspersonal von der marsianischen BG Gorrie das ganze Universitätsgelände durchkämmte, blieben wir in den alten Wohnheimen. Neue Schienen wurden gelegt, Züge kamen an, und die meisten von uns fuhren nach Hause. Ich blieb da, ebenso wie Oliver, Felicia und Charles. Allmählich kam mir der Gedanke, dass Charles wohl meine Nähe suchte.
Zwei Tage nach unserer Freilassung traf ich mich mit meiner Familie – meinen Eltern und meinem großen Bruder Stan – auf dem Bahnhof der Uni. Meine Eltern sahen blass und von Angst und Zorn mitgenommen aus. Mein Vater erklärte mir unmissverständlich, ich hätte gegen seine heiligsten Prinzipien verstoßen, als ich mich den Radikalen anschloss. Ich versuchte, ihm meine Gründe darzulegen, drang aber gar nicht zu ihm durch. Kein Wunder: Mir waren sie ja selbst nicht völlig klar.
Stan, der sich über Haltung und Handlungen seiner kleinen Schwester die ganze Zeit amüsierte, wahrte mit gelassenem Lächeln Distanz. Das Lächeln erinnerte mich an Charles.
Charles, Oliver, Felicia und ich kauften unsere Fahrscheine am Automaten und schlenderten über den Bahnsteig der Uni-Station. Wir alle fühlten uns fast wie vogelfreie Verbrecher, zumindest aber wie Geächtete.
Es war später Vormittag. Mit demselben Zug, mit dem wir fahren wollten, waren Dutzende von Beamten angekommen, die die Universität als Interimsleitung verwalten sollten. In ihren förmlichen grauen und braunen Anzügen standen sie unter den gläsernen Dachluken, scharrten mit den Füßen, hielten ihre kleinen Gepäckstücke fest und warteten auf ihre Sicherheitseskorten, dabei musterten sie uns misstrauisch.
Das Bahnpersonal wusste zwar nicht, dass wir zu der Gruppe gehörten, die die Bahngleise gesprengt hatte, vermutete es jedoch. Es war der Bahn hoch anzurechnen, dass sie die BG-Charta respektierte und ihren Dienst nicht verweigerte.
Wir vier saßen im hintersten Wagen und schnallten uns in den engen Sitzen fest. Ansonsten war der Zug ganz leer.
Im Jahre 2171 erstreckte sich ein Schienennetz von 500.000 Kilometern über den Mars – ein Schienennetz, das für die Magnet-Schwebebahn entwickelt worden war. Jedes Jahr kamen mehrere tausend Kilometer Gleise hinzu, die von Robotern gelegt wurden. Die Züge boten die beste Reisemöglichkeit. Man saß ruhig und bequem, während die silbernen Tausendfüßler wenige Zentimeter über den dicken schwarzen Schienensträngen dahinrasten, alle drei- oder vierhundert Meter beschleunigten und Geschwindigkeiten von dreihundert Stundenkilometern erreichten. Normalerweise genoss ich den Blick aus dem Fenster, wenn weite, mit einzelnen Felsblöcken bestandene Ebenen vorbeisausten und Staubfahnen sich oben zu dünnen Wirbeln kräuselten, weil das mechanische Gebläse an der Zugspitze die Strecke freimachte.
Aber die Zugfahrt zur Time River Canyon-Klinik machte mir nicht viel Spaß.
Wir hatten uns nicht viel zu sagen. Der verstreute Rest der Protestgruppe hatte uns dazu auserkoren, Sean und Gretyl einen Besuch abzustatten.
Kurz vor Mittag fuhren wir vom Uni-Bahnhof ab. Der Zug beschleunigte und drückte uns in die Sitze, die das monotone Gerumpel des Wagens abfederten. Innerhalb weniger Minuten hatten wir dreihundert Stundenkilometer erreicht, jenseits unserer Fenster verschwamm die weite Ebene zu einem
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