Heimat Mars: Roman (German Edition)
gegenüberliegende Wand gestemmt. Das Kom hatte er auf dem Schoß. »Auf dem Mars gibt’s diese Woche viele Spannungen«, sagte er zur Einleitung.
»In den LitVids hab ich gar nichts gesehen«, bemerkte ich beiläufig.
»Natürlich nicht«, sagte er mit verkniffenem Mund. »Ich hab auch nicht erwartet, dass es gebracht wird. Noch nicht. Zwei BGs haben beschlossen, ihre eigenen Vorschläge zur Vereinigung vorzulegen.«
»Wer?«, fragte ich.
»Die BG Mukhtiar und die BG Pong.«
»Die gehören doch gar nicht zu den fünf wichtigsten …?«, sagte ich.
»Und man wird sie wohl auch gar nicht weiter beachten … auf der Erde. Aber ich habe viele Zugeständnisse gemacht und auch meinerseits viele Zugeständnisse von anderen erzwungen, um unseren Vorschlag auf der Erde vorbringen zu können. Manche Leute, die sowieso schon nervös waren, sind jetzt noch nervöser. Falls man mein Vorhaben untergräbt, falls irgend jemand sich vornimmt, eine starke Kampagne auf dem Mars zu lancieren, ehe wir überhaupt angekommen sind … Falls jemand der Erde Zugeständnisse macht und uns verkauft …« Er hob die Hand und blinzelte mir zu. »Ganz im Ernst. Cailetet macht mir Sorgen. Offensichtlich glauben diese Leute, sie hätten Trümpfe in diesem Spiel.«
Ich schüttelte mitleidig den Kopf. Er lehnte sich noch einige Zentimeter weiter zurück und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Was hast du von den Erdenbürgern erfahren?«
»Ziemlich viel, glaube ich.«
»Weißt du eigentlich, dass auf der Erde das Durchschnittsalter für erste sexuelle Erfahrungen in den letzten dreißig Jahren ständig gestiegen ist? Und dass immer mehr von ihnen überhaupt keinen körperlichen Sex mehr haben? Inzwischen sind es sogar schon zehn Prozent.« Er kniff skeptisch die Augen zusammen, als spekuliere er über etwas.
»Ich hab davon gehört«, antwortete ich.
»Manche Leute heiraten, schlafen dann aber nur in Simulationen miteinander.«
Die anständige, zurückhaltende Art, die er während all der Wochen an den Tag gelegt hatte, hatte mich so in Sicherheit gewiegt, dass ich selbst jetzt noch nichts argwöhnte.
»Inzwischen gibt es sogar Ehen zwischen Denkern und Menschen. Ehen, die in körperlicher Hinsicht nie vollzogen werden, der Verkehr findet nur als geistiger Austausch statt. Und es gibt dort Leute, die ohne Sex und ohne Geburtsvorgang Kinder kriegen. Da kann ein rotes Karnickel nur staunen und Angst bekommen.«
»Auf dem Mars haben wir doch auch ex utero- Babies«, bemerkte ich gelassen und fragte mich, worauf er eigentlich hinauswollte.
»Mir ist die altmodische Art lieber«, sagte er und richtete seine runden braunen Augen fest auf mich. »In dieser Hinsicht ist auf dieser Reise verdammt wenig passiert. Immer nur Arbeit, Arbeit. Mir ist aufgefallen, dass du auch nicht gerade viele romantische Abenteuer erlebt hast.«
Endlich empfing ich Warnsignale. Ich gab ihm keine Antwort, zuckte nur die Achseln und hoffte, mein verlegenes Schweigen werde dem Gespräch eine andere Richtung geben.
»Wir werden viele Monate zusammenarbeiten.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Kann man, wenn man so lange zusammenarbeiten muss, so richtig gut miteinander auskommen?«
»Das müssen wir wohl. Schließlich sind wir die einzigen roten Karnickel unter Erdenbürgern.«
Er nickte nachdrücklich. »Unter sehr merkwürdigen und mächtigen Leuten. Das wird zu Spannungen führen, die viel schlimmer sind als alles, was ich beim Lesen dieser jüngsten Meldungen empfunden habe. Wir sind mitten in einem Nervenkrieg, Casseia. Und wir könnten uns – gemeinsam – auf bestimmte Weise … von diesem Krieg erholen.«
»Ich würde jetzt gern die Meldungen lesen«, sagte ich.
»Ich würde mich nicht gern von einer Erdenbürgerin trösten lassen.«
»Ich weiß nicht, ob …«
Er ließ nicht locker und schüttelte leicht den Kopf. »Was ist, wenn ich mich heftig um eine Beziehung auf Zeit bemühe – etwas anderes kommt ja gar nicht in Frage – und dann feststellen muss, dass die Frau von der Erde nur in Simulationen mit mir schlafen will?« Er starrte mich skeptisch an.
Langsam wurde ich wütend, behielt aber den Rat meiner Mutter im Kopf: Sei schlau, nimm’s mit Humor. Ich fühlte mich weder schlau, noch fand ich die Situation besonders lustig, allerdings hielt sich meine Wut noch immer in Grenzen.
»Ich gehe Probleme gern frühzeitig an«, sagte er, »um Vorsorge zu treffen.« Er langte nach oben, streichelte meinen Arm und griff schnell nach vorn, um meine Schulter
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