Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Universitätsfächer geadelt. Dagegen kann man sich noch an keiner Uni der Welt für Monopolistik oder Backgammonologie einschreiben.
Überflüssig, lustvoll – und doch ernst
Kinder lernen beim Spielen, aber sie spielen nicht, um zu lernen. Spiele sind Selbstzweck, noch mehr, als das bei der Kunst der Fall ist. Wir spielen aus Spaß und Lust. Oft treibt uns die pure Lust am Gelingen einer schwierigen Aufgabe, die Freude am Erfolg, das Glück des Gewinnens. Der Sinn liegt innerhalb des Spielens; außerhalb ihrer selbst sind Spiele komplett »unsinnig«. Es macht das Spielen gerade aus, dass es zweckfrei ist. Aber das reicht nicht, um etwas zum Spiel zu machen. Dazu braucht es Regeln. Die Regeln sagen, wie gespielt wird, was Gelingen und Versagen ist. Sie definieren die Grenzen und bestimmen, wie man Gewinner und Verlierer wird oder zumindest »im Spiel« bleibt.
Das sind die Grundaussagen des großen Theoretikers der Spiele, Johan Huizinga, der die »Ludologie« als interdisziplinäre Erforschung von Spiel und Spielen begründete. Für den holländischen Kulturgeschichtler ist das Spielen eine universelle Fähigkeit. Entsprechend betitelte er sein kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erstmals veröffentlichtes Hauptwerk Homo ludens . Für Huizinga bringt die Gemeinschaft ihre Deutung der Welt im Spiel zum Ausdruck. Spiel ist der wichtigste Antrieb für Musik, Tanz, Dichtung und sogar Philosophie. Die Illusion (wörtlich »Einspielung«) des Spielens befreit den Menschen zur Kreativität. Für Huizinga entfalten Kulturen sich erst im Spiel; ja Spiel ist sogar ihre Voraussetzung. Noch umfassender als dieses Konzept ist wohl nur die traditionelle Vorstellung in Indien, die ganze Welt sei ein Spiel der Götter.
Spielregeln sind allgemein anerkannte Richtlinien; man ignoriert sie nicht einfach. Jeder Spieler weiß, dass sie auch ganz anders sein könnten, aber er beachtet sie freiwillig. Schließlich geht es um Spannung und Einsatz, Erfolg und Trophäen. Peter Bamm, Schriftsteller, Mediziner, Weltreisender und Humanist, meinte: »Das Spiel ist das Einzige, was Männer wirklich ernst nehmen. Deshalb sind Spielregeln älter als alle Gesetze der Welt.« Im Spiel betreiben wir etwas, das nicht »für das tägliche Brot« getan werden muss, und wir halten uns mit heiligem Ernst an Regeln, die nicht notwendig so sein müssten, wie sie sind. Spiele sind eigene Welten. Das sieht man auch beim Regelverstoß. Wer die Regeln nicht beachtet, »spielt nicht mehr mit«, wie Kinder sagen. Er ist ausgeschieden, also kein Spieler mehr. Jenseits des Spiels hat der Regelverstoß keine Konsequenzen. Der ausgeschiedene Spielverderber spielt vielleicht weiter, aber dann ist es nur noch sein eigenes Spiel, nicht mehr das seiner Mitspieler.
Spiele können bewusst für ernsthafte Zwecke eingesetzt werden. Im Erlebnis und Ergebnis sind dies dann aber keine Spiele mehr. Die Legende will, dass Offiziere dieser Welt gerne Schach spielen. Sobald sie das tun, um ihre strategischen Fähigkeiten »im Ernstfall« zu schulen, spielen sie nicht mehr im eigentlichen Sinne. Ihre Ziele sind dann nicht mehr Taktik und Sieg auf dem Brett, sondern im realen Krieg. Mit der vorsätzlichen Nutzung für das reale Leben wird der Rahmen des Spielerischen gesprengt. Da verwundert es kaum, dass bisher kein Generalstabsoffizier Großmeister im Schach geworden ist.
Spiele sind zweckfrei, aber sie können doch – als Nebeneffekt – nützlich sein. Die einschlägige Literatur ist voll von Behauptungen, für was Spiele dienlich, hilfreich und förderlich seien. Sie können überschüssige Kräfte abbauen und Konflikte lösen. Da zeugt es von einer gewissen Ironie, dass ein allseits beliebtes Aggressionsventil den Namen trägt »Mensch, ärgere dich nicht«. In Spielen üben wir Arbeitsvorgänge ein und trainieren schwierige Körperbewegungen wie das Balancieren. Als Herr und Sklave oder Vater, Mutter, Kind üben wir soziale Rollen ein. Wir testen die Vorteile und Nachteile von großzügiger Kooperation, geschickter Diplomatie und verbissenem Ehrgeiz in Gewinn- und Strategiespielen. Spiele beleben den Alltag, der nicht nur bei uns oft grau ist, sondern auch auf einer Südseeinsel. Was ist das Verbindende dieser unterschiedlichen Arten und Weisen, aus dem Nutzlosen Nutzen zu schlagen? Im Spielen können wir Handeln in Situationen einüben, die vom Ernst des Lebens und von den Konsequenzen realen Handelns entlastet sind. Hierin gleicht das Spielen dem Erzählen und Darstellen
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