Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Hautfarbenvariationen für die entsprechende Kundschaft, ebenso wie die vielen Freundinnen und Verwandten, die Mattel in regelmäßigen Abständen herausbringt. Auch die Barbie-Welt wird also immer bunter und unübersichtlicher.
Mattel hat schon seit längerem Produkte für die islamische Kundschaft im Programm. Die Leyla-Barbie und die Marokko-Barbie waren Puppen nach historischen Vorbildern. Sie sollten Tänzerinnen der Sultane im 18. Jahrhundert darstellen und erinnern eher an parfümierte Haremsdamen als an brave Mädchen. Der muslimischen Kundschaft sind sie zu freizügig. Im Iran, wo sich die Frauen unter ihrem Schleier durchaus stark schminken, sind seit 1996 nicht nur diese Marokko-Barbies , sondern auch die normalen Barbies verboten, nicht zuletzt, da sie zu Zeiten des Schahs auf Erfolgskurs gingen. Die muslimischen Herrscher erklärten sie kurzerhand für »unislamisch« und sprachen von der »verwestlichten Barbie-Kultur«. Die stummen Botschafterinnen des weltlichen Kapitalismus hatten einfach zu viele kleine Liebhaberinnen im Gottesstaat gefunden.
Der Gegenangriff kam 2002 aus dem staatlichen »Zentrum zur Verbreitung von Kultur für Kinder« und hieß Sara. Sara hat dunkle kurze Haare, von denen man aber recht wenig sieht, denn sie ist in einen Tschador gehüllt, der nicht nur bis zur Schulter reicht, sondern fast bis zum Boden. Sie trägt iranische Volkstracht. Eigentlich hat Sara keinen Freund, aber es gibt ein Gegenstück: Er heißt Dara. Die iranische Barbie ist kleiner, kindlicher und deutlich weniger figurbetont als ihre kesse US-Konkurrentin. Mit ihren breiten Köpfen erscheinen Sara und Dara als »Wiedergänger des DDR-Sandmännchens«, wie der Spiegel urteilte. Und vor allem: Das Umziehen oder gar Ausziehen entfällt. Die langen Hüllen sind mit der Figur moralisch korrekt verklebt. Madjid Ghaderii, Sprecher der sittenstrengen Behörde, kommentiert: »Wir müssen unsere eigenen Modelle entwickeln, um den westlichen Stereotypen etwas entgegenzuhalten.« Das Kulturzentrum unterhält enge Kontakte zu ähnlichen Einrichtungen in anderen islamischen Ländern wie Pakistan und Malaysia.
Razanne – die islamische Antwort auf Barbie
Bei diesem Streit im Iran geht es nur vordergründig um den »Kampf der Kulturen«, in dem die islamische Kulturpuppe gegen das kapitalistische Kommerzpüppchen antritt. Letztlich geht es um ein funktionierendes Rollenvorbild für die Frau im Himmel der modernen Konsumwelt. Deshalb wurde auch nicht die betuliche Sara der Hardliner zur modernen islamischen Anti-Barbie, sondern die weltoffenere Razanne.
Razanne bedeutet auf Arabisch so viel wie »Zurückhaltung«. Konnte man sie in den USA seit 1996 in normalen Spielgeschäften kaufen und im Netz ordern, gab es die religiöse Puppe in Deutschland zunächst nur in Moscheen. Razanne ist dann auch recht zugeknöpft. Ihre kindliche Figur ist komplett angezogen. Sie trägt bodenlange Kleider und lächelt sanft. Ihr Kopf ist mit einem weißen Kopftuch verhüllt, das bis zur Schulter reicht. Im Unterschied zu Barbie hat Razanne auch keinen Freund. Auf einen Ahmed wird sie vergeblich warten. Erfinderin Noor Sadeeh erklärt ganz einfach: »So etwas würde nicht zu ihr passen.« Razanne bleibt für sich und kann das Leben zu Hause genießen. Sie hat Wichtigeres im Kopf als coole Partys oder Männer. Sie liest lieber im Koran. Dafür gibt es Razanne in zwei Varianten: mit blonden und mit schwarzen Haaren. Man kann sie zwar nicht umziehen, dafür stehen aber mittlerweile Figuren in sieben Outfits zur Verfügung, mehrere Alltags- und Festtagskleider sowie Freizeitkleidung, zum Beispiel Razanne als muslimische Pfadfinderin.
In den USA wurde die Zurückhaltende ganz schnell ein echter Renner, vor allem bei der großen islamischen Klientel. Der Hersteller, NoorArt in Michigan, verkündet auf seiner Website, die Puppe, die je nach Ausführung zwischen 10 und 22 Dollar kostet, fördere muslimische Identität und lehre islamisches Verhalten. Allein über die Website hatte die Firma des Ehepaars Noor und Ammar Sadeh bis 2004 insgesamt 300000 Razannes verkauft. In der multikulturellen Konsumwelt der USA war es nur konsequent, dass bald auch ethnisch orientierte Ausgaben herauskamen, ganz nach dem Vorbild der Ethnic Barbies . Mittlerweile gibt es alle Razannes außer dem neuesten Modell laut Katalog in drei Varianten: mit blondem Haar und weißer Haut sowie mit schwarzem Haar und schwarzer oder olivfarbener Haut – die betende und die
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