Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
diskutiert. Es ist in Indonesien nicht üblich, etwas schnell zu entscheiden. Ruckzuck-Abstimmungen sind nichts für Indonesier. Sie reden so lange miteinander, bis eine Lösung gefunden ist, mit der alle leben können.
Maria und ich, ganz preußisch, sind natürlich pünktlich zur Stelle. Wir haben schon lange vorher die Sportsachen zusammengesucht und die Schläger bereitgelegt. Sorgsam haben wir an die hier wichtigen Dinge gedacht, Schweißband, Handtuch, mehre Shirts zum Wechseln und Sonnenbrille. Als wir Punkt sechs am Haus von Hasia, der Organisatorin, stehen, ist kein Mensch am verabredeten Treffpunkt. Wir warten. Maria guckt um zehn nach sechs zum ersten Mal auf die Uhr. Es kommt niemand. Auch nicht um Viertel nach sechs. Ich halte mich für geduldig, aber um halb sieben bekomme auch ich schlechte Laune. Ich habe meine Sonnenbrille jetzt schon mehrmals vom Schweiß befreit. Wir sind frustriert. Wir schwitzen. Wir warten weiter. Als ich zu bedenken gebe: »Vielleicht haben wir den Tag verwechselt«, streiten wir uns beinah.
Wir sind noch nicht lange in Indonesien, da kann es schon mal passieren, dass man den falschen Tag erwischt. Unser Turnier findet am Wochenende statt. Der Samstag heißt hari sabtu , der Sonntag hari minggu , das gesamte Wochenende habis minggu , im Alltagsumgang aber einfach minggu . Der Abend vor dem Sonntag, also Samstagabend, heißt malam minggu , der Sonntagabend minggu malam . Da gibt es auch unter Indonesiern Missverständnisse. Junge Indonesier denken oft nach westlichem Muster und meinen mit malam minggu den Sonntagabend statt des Samstagabends. Egal, wir warten. Wenn wirklich niemand kommt, gehen wir spazieren. Das ist immer schön in der tropischen Abenddämmerung, wenn es langsam frischer wird.
Die ersten Spielerinnen trudeln um acht Uhr ein. Wir begrüßen sie mit den Worten: »Schön, dass ihr auch schon da seid!« Die Ironie versteht zwar niemand, zur Ableitung unseres Ärgers ist sie aber gut. Man würde hier niemals auf solchen Kleinigkeiten herumreiten. Wir aber sind immer wieder irritiert. Natürlich habe ich in ethnologischen Büchern zu den Kulturen Indonesiens über jam karét , die »Gummizeit«, gelesen. Wir kennen das auch von unseren früheren Reisen, wo Indonesier das selbst oft erwähnten. Aber die Indonesier nehmen es mit der Zeit auch sehr genau. Zu den ersten Sachen, die man lernt, wenn man hier länger lebt, gehören die genauen Zeitangaben beim Begrüßen. Während man bei uns mit »Guten Morgen«, »Guten Tag« und »Guten Abend« über die Runden kommt, unterscheiden die Indonesier sehr exakt. Selamat pagi , wörtlich »Glücklicher Morgen«, gilt nur bis 10 Uhr. Während des heißen Teils des Tags von 10 bis 15 Uhr, wo die Sonne senkrecht über Indonesien steht, sagt man »Guten Mittag«, selamat siang . Und nachmittags ab 15 Uhr bis zur Dämmerung gegen 18 Uhr begrüßt man sich mit »Guten Nachmittag«, selamat sore . In einigen Regionen Indonesiens gibt es sogar noch eine spezielle Bezeichnung für die Zeit zwischen 16 und 19 Uhr: selamat petang . Ein einfaches »Guten Tag« dagegen gibt es gar nicht. Abends sagt man »Glücklicher Abend«, selamat malam .
Außerdem schätzen Indonesier durchaus die Pünktlichkeit! Wenn wir erzählen, dass wir aus Deutschland kommen, ist die erste Reaktion oft: »Oh, Deutschland, da kommt jeder Bus pünktlich. Super!« oder: »Deutsche Eisenbahnen fahren auf die Minute ab. Erstaunlich.« Ich frage mich dann insgeheim, wie erstaunt sie erst wären, wenn sie die deutsche Bahn-Wirklichkeit erlebten. Indonesier lieben Formales, beziehungsweise es wird ihnen von der Politik aufgenötigt. Deshalb gibt es immer wieder Versammlungen aller Art, manche formaler, andere lockerer. Bürger versammeln sich, Beamte versammeln sich, die Frauen von Beamten versammeln sich, Badmintonspielerinnen versammeln sich. Solche Versammlungen beginnen in der Regel pünktlich. Ich habe aber auch erlebt, dass 30 Frauen in einem knallheißen Raum ohne Murren 20 Minuten warten, bis eine Veranstaltung beginnt, nur weil die Frau, die sie begrüßen soll, noch nicht da ist. Als sie dann eintrifft, hört man höchstens ein geflüstertes maaf , »Entschuldigung«. Kinofilme starten in Indonesien pünktlich. Gesellschaftliche Veranstaltungen beginnen mal mehr, mal weniger pünktlich. Andere Aufführungen fangen schon mal eine halbe Stunde verspätet an. Ältere Kollegen sagen mir aber, dass die Pünktlichkeit allgemein zugenommen hat.
Dennoch ist die
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