Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Konfirmandenunterricht. Ich habe euch nichts erspart. Was bringt das eigentlich?«
Alles ist sehr rational, ernsthaft und körperverneinend. Diana muss zum Lachen in den Keller gehen. Aber sie ist hart im Nehmen. Sie bekommt das Arbeitsethos hautnah mit und lernt die präzise Zeitordnung. Irgendwann entdeckt sie sogar die Phasen, wo es nicht ganz so ernst ist. Diana erkennt in der Karriere der kleinen Konfirmanden die klassischen Stufen des Rituals, die sie aus den religionsethnologischen Lehrbüchern kennt. Sie findet viele für sie überraschende und belustigende Details, allerdings auch weniger amüsante, wie den Alltagsrassismus. Vor allem frappiert sie die schlechte Stellung der Frauen. Bei ihr zu Hause in Mahé werden die Männer über die Mütter definiert. Die vergleichende und distanzierte Perspektive schafft neue Einsichten.
Für Jaco würde Deutschland ein reiches Forschungsfeld für Riten aller Art abgeben, traditionelle wie moderne. Er könnte die Rituale beim Abitur, bei der Heirat und bei der Beerdigung unter die Lupe nehmen. Er wäre von der Vielfalt der regionalen Riten überrascht. Karneval gibt es nicht überall, Maibaumsetzen in Köln-Sülz ist nicht dasselbe wie in Kall in der Eifel. Von seinen Informanten würde er hören, dass es auch immer wieder neue Elemente in den alten Riten gibt. Jaco könnte sich mit deutschen Volkskundlern treffen, die solche Themen schon immer untersuchen. Der Vergleich der Ergebnisse wäre interessant. Jacos distanzierte Sicht könnte andere Einblicke geben.
Jacos Untersuchung würde zeigen, dass viele Menschen in Deutschland mit Ritualen hadern. Junge Paare lassen sich traditionell mit allem Brimborium trauen, aber wollen es schnell hinter sich bringen. Menschen auf dem Friedhof vertrauen ihm als Fremdem vielleicht an, dass die heruntergespulte Beerdigungzeremonie vollkommen an ihnen vorbeigeht. Wenn aber Kölner Jugendliche am Deutzer Bahnhof von gefährlichen Ritualen erzählen wie dem riskanten S-Bahn-Surfen und wie allein man dabei manchmal mit seiner Angst ist, wird Jaco an die Riten zu Hause im Outback denken. Irgendwann ist jede Feldforschung zu Ende. Es ist interessant in der Fremde, aber Deutschland ist eng und kalt. Jaco wird in sein weites und heißes Australien zurückkehren. Falls er in seinem Land Ethnologieprofessor werden will, wird er etliche akademische Riten überstehen müssen, aber nicht die Habilitation – that funny German academic ritual .
Brücken in Babylon Anders sprechen und doch gleich denken
Mithridates, König von Pontos im ersten Jahrhundert vor Christus, konnte die Sprachen aller Völker sprechen, die er unterworfen hatte. Das waren rund um das Schwarze Meer zwischen 20 und 50 verschiedene Idiome, eine reife Leistung für einen einzelnen Menschen! Der polyglotte König ist der Pate der vergleichenden Sprachwissenschaft. Jahrhundertelang galt er als Sinnbild für die enorme Vielzahl menschlicher Sprachen.
Kaum ein Thema verdeutlicht die Vielfalt der Kulturen so gut wie ihre Verständigungsformen. Auch wenn ihre Zahl rapide abgenommen hat, finden sich derzeit zwischen rund 3000 und 7000 Sprachen auf der Welt. Die Unterschiede kommen dadurch zustande, dass verschiedene Sprachwissenschaftler unterschiedliche Kriterien zur Abgrenzung heranziehen. Was für den einen Linguisten ein Unterschied zwischen sehr verschiedenen Dialekten einer Sprache ist, ist für seinen Kollegen schon eine Grenze zwischen zwei ähnlichen Sprachen. Menschen, die eine Sprache sprechen, haben oft auch ein gemeinsames Wir-Gefühl und stellen so eine ethnische Gruppe dar. Die Zahl der Sprachen ist deshalb auch etwa die Zahl der Kulturen, die Ethnologen unterscheiden. Das gilt aber nur grob, denn manche Ethnien sprechen dieselbe Sprache. Wenn man wirklich alle kleinen Völker und Kleinstsprachen, wie das Ainu in Japan, die nur noch von einer Handvoll Menschen gesprochen werden, mitzählt, ist die Zahl von knapp 7000 realistischer als niedrigere Zahlen.
Sprache ist etwas zutiefst Menschliches. Alle Menschen können sprechen; jede uns bekannte Gesellschaft hat eine Lautsprache, deren Elemente nach Regeln zu Wörtern und Sätzen kombiniert werden. Überall nutzen Menschen die Sprache nicht nur, um Inhalte zu übermitteln, sondern auch, um sich kundzutun, soziale Beziehungen zu pflegen und an andere zu appellieren. Wir können abstrahieren und über Dinge sprechen, die nicht da sind, zumindest nicht präsent. Sprache macht den Menschen zum Menschen. Nur wir können
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