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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hätte und nun in das Paradies wandern dürfte. Vor meinen Augen aber wird ewig jenes Bild stehen, das ich bei meiner Einlieferung sah: Eine junge Frau, hochschwanger, wurde hereingeführt, nackt, den Körper überzogen mit blutigen Striemen, die Brüste und den Unterleib sichtlich geschändet, und diese Frau sagte ganz ruhig: ›Wenn es einen Gott gibt, so wird er einmal diese Stunden rächen!‹ Da trat ihr ein SS-Mann mit aller Wucht in den schwangeren Leib … drei Stunden später starb die Frau unter unvorstellbaren Qualen. Ja, Freunde, ich glaube es, ich muß es einfach glauben, um dieses Leben noch aushalten zu können: Es gibt einen Gott, und er wird diese Stunden rächen!!«
    Borgas hatte geendet. Hilde saß zurückgesunken in ihrem Stuhl, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und zitterte am ganzen Körper. Heinz hielt sie umschlungen und blickte starr auf einen Punkt des Zimmers, irgendwohin, ohne Sinn und Zweck.
    Borgas stand auf. »Ich glaube, ich gehe jetzt. Nehmt mir's nicht übel … aber wer mit dem Tod spricht, muß damit rechnen, seine kalte Hand zu spüren.«
    Wüllner nickte ihm zu.
    »Komm morgen früh zu mir, gegen zehn Uhr, da besprechen wir alles. Du bist nicht ausgelöscht. Nur Mut und Kopf hoch, Friedrich. Denke immer an deine letzte Arbeit, die du mir in deinem Atelier zeigtest: ein Jüngling, der mit einer Fackel durch ein mystisches Tor eilt. Du nanntest es: Durch Nacht zum Licht. Der Jüngling bist du – das Tor ist die neue Zeit!«
    »Die neue Zeit? Leben wir nicht in einem tausendjährigen Reich!«
    »Kein Reich bestand bisher tausend Jahre, und dieses wird keine hundert bestehen.«
    Sie reichten sich die Hand, ernst, die Blicke ineinander versenkt. Auch Hilde drückte die schmalen, knochigen Finger.
    Dann war Borgas, geheimnisvoll wie er kam, wieder verschwunden. Zurück blieb bei Wüllner und auch bei Hilde ein bitterer Geschmack, und Heinz sah vor seinem inneren Auge eine große Flamme, die höher und höher leckte, zu einem gewaltigen Brand wurde und den Himmel blutig erleuchtete. Inmitten der Flammen aber stand die Reichskanzlei. Wüllner drückte Hilde an seine Schulter und küßte sie zart auf die Augen.
    »Überall werden Illusionen zerstört. Es existieren eben keine Inseln des Friedens. Auch die Liebe vermag die Wirklichkeit nicht zu bezwingen.«
    »Doch, es gibt Inseln der Träume«, entgegnete Hilde, »und der Mensch braucht sie, wenn er den Mut hat, das Erwachen nicht zu fürchten.«
    »Müssen wir denn erwachen?«
    »Immer träumen macht blind.«
    »Dann laß uns blind sein, wenigstens so lange, bis es sich lohnt, wieder sehend zu werden.«
    Hilde küßte ihn.
    »Dummer Junge«, sagte sie zärtlich, »und wenn nun die Zeit über dich hinwegrollt?«
    »Wollen wir Luftschlösser bauen? Im Augenblick rollt die Zeit nicht vorwärts, sondern rückwärts. Wir müssen warten, bis sie die Gnade hat, uns ein Leben zu schenken; müssen alle Wünsche vergraben vor der Not um uns. Doch glaube mir – es wird nicht mehr lange zu warten sein.«
    Hilde sah ihn mit großen Augen an.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich sprach gestern im Propagandaministerium den Leiter der Frontpropaganda. Leere Worte, ohne Sinn und Ziel, immer nur Schlagworte der Volksverdummung. Eine solche Politik muß zusammenbrechen. Abgesehen davon sind wir wirtschaftlich und militärisch am Ende – das kann auch der ehemalige Hitlerarchitekt und jetzige Rüstungsminister Albert Speer nicht mehr aufhalten, und mag er noch so genial sein. Führer, wir folgen dir – wer dem Führer folgt, wird im Abgrund landen; in der Hölle, wo sie am scheußlichsten ist.«
    Mit ihren Fingern verschloß Hilde ihm den Mund.
    »Nicht so laut, Heinz … wenn dich jemand hört! Du redest dich um Kopf und Kragen!«
    Ehe Wüllner antworten konnte, entstand an den anderen Tischen eine lebhafte Bewegung. Man sprang auf und eilte zu einem Büfett in der Ecke. Dann hatte es sich auch bis zu ihnen herumgesprochen: Es gab noch einige Flaschen Wein. Allerdings waren nur 25 Stück vorhanden, und wer sich schnell anstellte, der konnte Glück haben.
    Mit schnellen Schritten lief auch Heinz Wüllner zum Büfett, während Hilde lachend ihr Glas leer trank. Er reagierte wirklich oft wie ein kleines Kind. Eben noch hohe Politik – einen Augenblick später Endspurt einer Flasche Wein wegen.
    Aber richtig froh fühlte sich Hilde nicht mehr. In ihrem Kopf schwirrten viele Gedanken herum. Konnte es wahr sein, was dieser Borgas erzählte? Gab

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