Heimaturlaub
erschien er am hellen Tag mit einer Sextanermütze auf dem Kopf, so daß Hilde sich schämte, mit ihm wegzugehen. Ein anderes Mal hatte er einen großen Blumenstrauß in der Hand, der sich als ein Bündel Kohlrabi entpuppte und Hildes Küchenzettel bereichern sollte. Den dritten Streich startete er an einem dunklen Winterabend. Sie hatten sich am Zoo wieder bei den Elefanten getroffen. Heinz hielt in der Hand einen kleinen Koffer, den er in einem Lokal, wie er sagte, einem Freund abgeben wollte. Sie suchten eine bekannte Weinstube auf. Der Koffer wurde im Nebenzimmer abgegeben, und der Abend verlief sehr harmonisch, bis plötzlich Heinz ' Stimme aus einer Ecke des Lokals ertönte.
Hilde erstarrte. Sie blickte zur Seite. Dort saß Heinz und rauchte gemütlich. Aber von dort, aus dieser fernen Ecke, hörte sie seine Stimme.
Sie faßte Heinz an der Hand.
»Heinz – ich glaube, ich habe einen Schwips!«
»Psst!« machte der nur und lächelte geheimnisvoll.
Und nun erst hörte sie, wie diese Stimme sprach:
Sagte nicht ein schöner Spruch:
Mensch, laß Blumen sprechen!?
Aber muß man denn darum
immer Blüten brechen?
Manchmal kommt mir die Erleuchtung,
breche allen Brauch,
willst du jemand Freude machen,
der Kohlrabi tut es auch.
Denkt nicht, diese Poesie
sei ein Dichterbröselchen,
es geschah aus Liebe nur
von dem lieben Schnöselchen!
Da war Hilde aufgesprungen und hatte gräßliche Rache geschworen. Das war der Gipfelpunkt: Eine Platte besprechen, mit einem Koffergrammophon in ein Lokal gehen, den Geschäftsführer, den Oberkellner, die Kellner bestechen und dann noch zu behaupten, dies geschehe aus Liebe!
Am zwölften Tag vormittags erschien Hilde pünktlich wie immer am verabredeten Platz der Berliner Siegessäule. Wüllner stand schon da, hatte sich aus Schnee einen Höcker gebaut und auf diesen Eisblock eine Schachtel gelegt, vor der er nun wie ein Soldat Wache stand. Als er Hilde sah, stand er stramm und legte die Hand an die verschneite, traurig herunterhängende Hutkrempe.
Er wollte gerade den Mund öffnen, um Hilde mit einer bestimmt frechen Redensart zu begrüßen, da schnitt ihm ihre kleine Hand das Wort ab.
»Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, daß ich heute nicht kommen kann!« erklärte sie.
Wüllner blickte sie mit schiefem Kopf erstaunt an und kraulte sich die Haare.
»Ich habe heute Geburtstag«, fuhr Hilde fort und weidete sich an seiner Verlegenheit. »Und heute abend, um zwanzig Uhr, ist bei mir zu Hause ein Künstlerfest. Ein paar Kollegen sind eingeladen, alles muß vorbereitet werden – mit heute mittag ist es also aus. Du bist selbstverständlich auch eingeladen.«
»Selbstverständlich!«
»Ja.«
»Und warum hast du mir das nicht früher gesagt?«
»Ich wollte dich zappeln lassen!«
»Wieso zappeln?«
»Alle Kollegen haben sich etwas Schönes als Überraschung ausgedacht, alle haben Zeit gehabt … nur du nicht. Aber du darfst nicht auffallen, und absagen kannst du auch nicht – hurra –, nun umarme die Siegessäule und zeige, daß du ein Sieger bist!«
»Aas!« sagte Heinz nur, ergriff seinen Karton, machte einen Satz über den Schneehügel, einen zweiten zu einem Omnibus, der gerade vorüberfuhr, ein dritter brachte ihn auf die Plattform, und während Hilde allein und erstaunt an der Siegessäule stand und sich fragte, ob sie nun damit alles gewonnen oder alles verloren habe, saß Wüllner lächelnd und händereibend im Omnibus und seine Fantasie schlug Purzelbäume.
Hilde aber trottete nach Hause. Ihr schien auf einmal der ganze Geburtstag verdorben. »Vergib mir, mein Schnöselchen«, dachte sie; und im Innern sagte sie sich zum unzähligsten Male: »Bitte, vergib mir … Ich hab' dich doch so lieb!«
In dem kleinen Atelier von Hilde Brandes gab es einen tollen Trubel. Die alte, gemütliche Wirtin, von allen nur Oma Bunitz genannt, hatte beide Augen zugedrückt. Mit viel Papier und Lampions, viel Farbe und Tuch wurde das Atelier in eine kleine Zauberbude verwandelt und das Thema: ›Im Reiche des bösen Zauberers‹, unter dem der Abend abrollen sollte, paßte so recht zu den Schlangenhäuptern und Riesendrachen, zu den mystischen Landschaften und Menschenfratzen, die ein Schüler der Kunstakademie an die Wände gehängt hatte. Oma Bunitz behauptete zwar, diese Biester würden ihr die ganze Stimmung verderben, und sie würde um zwölf Uhr nachts sich vor Angst verkriechen, aber Hilde schien es das richtige zu sein.
»Kommt denn Ihr Bräutigam heute auch?«
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