Heimaturlaub
fragte Oma Bunitz und baute zusammen mit Rolf, einem Medizinstudenten, die Hausbar aus einem runden Tischchen und einer Kommode zusammen.
»Ich glaube«, meinte Hilde und dekorierte das große Glasfenster an der linken Seitenwand mit Drachenköpfen.
»Was heißt, ich glaube?« brummte die Wirtin. »Ein Bräutigam muß doch zum Geburtstag kommen. Und erst recht ein so netter Herr … Sie erzählt mir immer von ihm«, wandte sie sich Rolf zu, »es muß wirklich ein netter Mann sein … wie mein Felix, der Jüngste, der in Stalingrad geblieben ist.«
Und sie wischte sich über die Augen.
Hilde sagte nichts. Sie wußte es ja wirklich nicht, ob Heinz kommen würde oder nicht. Um sich von diesem Gedanken loszureißen, sagte sie:
»Ich denke, nun ist alles gut. Was meinst du, Ernst?«
Ernst, der Kunstmaler, sah sich um.
»Das reinste Räubernest, dazu noch unsere Kostüme … der gute Wüllner wird die Sprache verlieren!«
»Oder auch nicht«, meinte Rolf und rieb sich seine schmalen Chirurgenfinger. »Wüllner ist ein ganz durchtriebener Bursche!«
»Aber er wird heute klein beigeben«, rief Hilde und sprang von der Leiter. »Wenn er diesmal nicht die Sprache verliert, heirate ich ihn auf der Stelle!«
»Der Glückliche«, meinte Ernst und schüttelte seine blonde Künstlermähne, »und wir bemühen uns seit Jahr und Tag. Man müßte eben Schriftleiter werden, was, Rolf?«
Rolf nickte. »Wir werden erst mal begutachten, ob wir ihm Hilde gönnen können!«
Da mußte Hilde lachen. »Ihr redet, als hättet ihr die Vormundschaft über mich!«
»Haben wir auch.« Rolf sagte es langsam. »Du bist unser Küken, für das wir alle verantwortlich sind.«
Hilde war gerührt. Die guten Jungs! Da standen sie, beide groß, beide hager und besessen von ihren Berufen. Aber auch beide verliebt in sie. Und doch war es ihnen selbstverständlich, daß ihnen nun Heinz Wüllner in das Gehege kam. Sie stemmten sich nicht dagegen, sondern halfen ihr auch noch wie zwei Brüder.
Hilde konnte nicht anders: Sie lief zu den beiden und gab jedem einen Kuß auf die Wange.
»Ihr seid goldig!« sagte sie. »Und jetzt wird sich umgezogen. Es ist gleich zwanzig Uhr. Oma Bunitz empfängt unterdessen die Gäste, wenn schon welche kommen sollten, nicht wahr?«
»Die Oma macht alles«, knurrte die so Beehrte, aber ihr Knurren klang wie das Schnurren einer zärtlich gestreichelten Katze.
Die drei verschwanden im Ankleidezimmer, das in einzelne Kabinen eingeteilt war. Vor zwei Stunden war es noch Hildes Schlafzimmer gewesen. Ernst, der in seiner Kabine das Bett stehen hatte, fragte durch die spanische Wand, ob er auf das jungfräuliche Bett seine männliche Hose legen dürfte, ohne daß das Bett erröte. Während unter Neckereien das Umziehen sich etwas in die Länge zog, erschienen draußen im Atelier die ersten Gäste.
So war es nicht verwunderlich, daß ein Heidengebrüll den dreien entgegentönte, als sie aus dem Nebenzimmer traten. Vor sich sahen sie eine Horde Räuber und Mörder, Zauberer und Fakire, aber auch so manche böse Fee und manche hutzelige Hexe, die nicht verleugnen konnte, daß unter der Larve ein schönes junges Mädchen steckte mit leuchtenden Augen und all dem Schmelz einer hoffenden Jugend.
Selbst Oma Bunitz hatte sich eine Maske aufgesetzt und sah aus wie die Anführerin aller Zauberer und Hexen auf dem Blocksberg. Die ersten Flaschen Wein waren schon aufgekorkt, und Hilde rechnete im stillen nach, wie lange wohl die Getränke reichen würden. Denn alles war zusammengespart oder von Kollegen geliehen. Ein paar hatten als Geschenke Schnaps und Likör mitgebracht, die mit Hallo in der Hausbar unter den Fittichen von Willi, dem Chemiker, dem Giftmischer, verstaut wurden. So weit war alles gut, nur einer fehlte, die Hauptperson – Heinz Wüllner.
Die zwölf Paare, die Hilde eingeladen hatte – Studenten, junge Künstler, Studentinnen, Tänzerinnen und Schauspielschülerinnen –, waren schon mitten im Trubel ihres Vergnügens, da saß Hilde still in einer Ecke auf einem Sessel und starrte auf die Uhr.
Halb neun! Wüllner kam nicht! Er war beleidigt! Es war alles zu Ende. Sie war zu weit gegangen.
Es war ihr, als breche das ganze Atelier über ihr zusammen. Sie schloß die Augen.
Da läutete plötzlich die Glocke.
Wie eine Katze schnellte Hilde auf: »Das ist er!«
Oma Bunitz wackelte zur Tür.
Da ging das Licht aus, nur die Drachen und Schlangen leuchteten, und wie ein Spuk verschwanden alle Gestalten hinter
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