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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem leise laufenden Wasserstrahl die Flasche Mosel. Blub! machte der Korken beim Öffnen und sprang aus dem Flaschenhals.
    Heinz setzte die Flasche an den Mund und trank.
    »Heinz!« rief Hilde. »Tut man das?«
    »Ja«, meinte er trocken und stellt die Flasche auf den Tisch, »es geht nichts über einen Probeschluck vom Faß oder aus der Flasche …«
    Da reizte es Hilde, einen Angelhaken auszuwerfen:
    »Wie wäre es mit einer Probeehe?«
    »Sauer!«
    Hilde schlang den Arm um ihn und flüsterte ihm leise ins Ohr: »Von heute an bleibst du immer bei mir, immer, immer … nicht wahr?«
    Wüllner war auf einmal ernst. Er aß schweigend sein Abendbrot, kaum daß er die nötigsten Worte sprach, und Hilde wunderte sich wieder über den plötzlichen Umschwung seiner Stimmung.
    Was mag er bloß haben, fragte sie sich. Ob ich etwas Falsches gesagt habe? Und sie wiederholte für sich noch einmal alle Worte, aber da war keines, das ihn hätte beleidigen können. Da sie nicht wußte, was ihn bedrückte, sagte sie leise:
    »Du hast Kummer, Heinz.«
    Als Wüllner nach dem Essen mit nervösen Fingern eine Zigarette anzündete, sagte auch Hilde nichts mehr und räumte das Geschirr ab.
    Heinz sah vor sich hin. Er war noch nie so unsicher gewesen wie heute. Sollte er ihr Klarheit geben über sich und seinen Marschbefehl? Oder war es besser, ihr nur eine schöne Erinnerung zu lassen? Sollte er einfach gar nichts sagen und alles der Zeit überlassen? Morgen war ja alles vorbei, konnte alles vorbei sein, wenn der Tod ihn rief. Ja, und dann war ihr Leben genauso zerrissen wie seines, und sie mußte daran zerbrechen, weil sie innerlich zu jung und unvollkommen war, um diesen Verlust zu verkraften. Er liebte sie, aber vor sich sah er das Ende des Reiches, sein eigenes Ende und den Fluch des Jahrhunderts auf diesem Geschlecht.
    Unschlüssig stand er auf und ging im Zimmer hin und her. Die Zigarette war längst ausgegangen, er hielt den erloschenen Rest im Mundwinkel, und dabei kreisten seine Gedanken um zwei Worte: Ja oder nein?
    Das Klappern aus der Küche hörte auf. Anscheinend hatte Hilde schnell das Geschirr abgewaschen und war nun fertig. Heinz Wüllner ging in die Küche, nahm das über einer Stuhllehne liegende rotgestreifte Handtuch und begann, ohne ein Wort zu sprechen, abzutrocknen.
    Hilde sah ihn an und konnte dann ein Lachen nicht verbeißen.
    »Warum lachst du?« fragte er ein wenig hart.
    »So müßten dich deine Kameraden oder deine Kollegen sehen. Was würden die sagen?«
    Heinz stellte den Teller ab, den er gerade in der Hand hielt, und fragte:
    »Liebst du mich? Hast du keine Angst vor dem Glück?«
    Ehe Hilde antworten konnte, ging er ins Atelier zurück, setzte sich wieder in den Sessel, seinen ›Sorgenstuhl‹, und schloß die Augen.
    Hilde war ihm nachgekommen und knipste nun die Deckenlampe aus.
    Heinz fühlte eine Hand auf seiner Stirn, ein Lippenpaar strich zart über seine Augen, an der Nase entlang und blieb auf seinen Lippen haften, saugte sich daran fest und kleine, aber scharfe Zähne bissen ihn leicht in die Unterlippe. Da legte er den Arm um die zierliche Gestalt und zog sie zu sich auf den Schoß. So saß sie nun bei ihm, den Kopf an seiner Schulter, und ihre wirren blonden Locken streichelten ihm das Gesicht. »Nein«, flüsterte sie, »ich habe keine Angst.«
    Heinz wagte nicht zu atmen, so schön war diese Stunde.
    »Was mag wohl in einem Jahr sein?« fragte er nachdenklich.
    »1944? Ob wir dann noch Krieg haben?«
    Wüllner nickte mit dem Kopf.
    »Solange es einen Hitler gibt, gibt es auch einen Krieg. Aber willst du heute, gerade heute, wieder von Politik hören?«
    Hilde sah ihn erstaunt an.
    »Ist denn heute ein besonderer Tag?«
    Heinz wich ihrem Blick aus und gab seiner Stimme einen gleichgültigen Ton.
    »Das nicht … aber der Abend ist zu schön, als daß man ihn mit der schmutzigen Politik verpesten sollte. Und weil er so schön ist, darum ist er etwas Besonderes.«
    »Und sonst nichts?« Hilde war mißtrauisch geworden. Sie zupfte ihn am Ohr. »Du, sei ehrlich zu mir!«
    Heinz lachte – es klang etwas gezwungen, aber er lachte. »Was sollte denn sein?«
    Hilde hatte das unbestimmte Gefühl, daß Heinz ihr etwas verheimlichte, das ihn bedrückt und schweigsam machte. Aber da sie es auf diese Art und Weise nicht aus ihm herauslockte, schwieg sie nun auch und lehnte ihren Kopf wieder an seine breite Schulter.
    So träumten sie schweigend in den Abend hinein, jeder mit seinen Gedanken

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