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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kurzerhand vor die Tür und schloß energisch drinnen ab.
    In Dahlem konnte es Frau Lancke noch immer nicht fassen, daß ihr Wüllner heute mittag um halb zwölf Uhr wieder in das Unbekannte fuhr. Als er sich verabschiedete, hatte er gesagt: »Und nun seien Sie weiter mein Engel Gabriel und passen Sie auf unser Paradies auf. Nur wenn ein Mädchen kommt, klein, schlank, ganz blond, mit großen blauen Augen, und wenn dieses Mädchen Hilde Brandes heißt, so lassen Sie Ihr Flammenschwert sinken, denn dieses Mädchen wird einmal meine Frau sein. Sollte sie traurig sein, so trösten Sie sie und seien Sie ihr eine Mutter, wie Sie mir eine gewesen sind. Am besten wäre es, sie bliebe gleich hier in der Wohnung. Aber vielleicht kommt sie auch gar nicht – ich hätte es verdient, wenn sie nichts mehr von mir wissen will.«
    Dann war er gegangen und hatte sie mit allem Kummer zurückgelassen. Trösten! Das kleine Mädchen trösten! Sie fand ja nicht einmal Worte des Trostes für sich selbst.
    Als es an der Tür klingelte, war Frau Lancke nicht überrascht. Sie schlurfte zur Tür und öffnete.
    Da stand ein junges Mädchen und weinte.
    »Treten Sie ein«, sagte Frau Lancke nur, führte die Schluchzende in das Herrenzimmer und drückte sie sanft in einen großen Sessel.
    »Sie wollen Herrn Wüllner sprechen, nicht wahr? Und Sie sind Hilde Brandes?«
    »Ja.«
    Nur dieses Ja sagte sie, aber in ihm lag eine bange Frage, die Erwartung, die Hoffnung und ein unsagbarer Schmerz. Frau Lancke fühlte es sofort heraus und setzte sich neben Hilde auf die Lehne des Sessels.
    »Da ist nun nichts zu machen, mein Kleines. Heinz ist fortgereist, weit fort … und wann er wiederkommt, ahnen wir beide nicht.«
    »Ich weiß – er ist nach Rußland. Als Oberleutnant.«
    »Als Oberleutnant schon, aber nicht nach Rußland.«
    Hilde fuhr auf.
    »Nicht nach Rußland?«
    »Nein, auf den Balkan. Wieder ein Einsatz als Funkberichter. Er hat mich noch mal kurz angerufen.«
    »Funkberichter?« fragte Hilde. »Heinz ist Funkberichter?«
    »Hat er Ihnen das nicht gesagt? Es liegt doch nahe – bei seinem Beruf.«
    Hilde schüttelte den Kopf. Kriegsberichter! Er gehörte also zu den Männern, die mit Kamera oder Mikrofon in vorderster Linie ihr Leben einsetzten, um das Kriegsgeschehen für alle Zeiten zu dokumentieren. Warum hatte er mit ihr nicht darüber gesprochen?
    »Er hat überhaupt nichts erzählt über sich und …«
    Sie konnte nicht weitersprechen, weil ein Weinkrampf sie plötzlich schüttelte.
    Da umfaßte Frau Lancke Hildes schmalen Körper und versuchte sie zu trösten und abzulenken.
    »Mein Kind … mein liebes Kind … wir wollen zusammen warten, bis er wieder vor der Tür steht und sagt: Engel Gabriel, weise mir die abgeschlagenen Häupter der Paradiesfrevler vor!«
    »Sagte er das immer?«
    Frau Lancke nickte. »Sein Erzengel Gabriel – so nannte er mich – hatte manchmal auch rechte Mühe, die Eindringlinge zu verjagen.«
    »Bekam Heinz so viel Besuch?«
    »Hm, es ging, für einen Junggesellen …«
    »Alles Frauen?«
    »Eine kluge Frau sollte so nie fragen.«
    »Ich bin schrecklich eifersüchtig … weil ich ihn so schrecklich liebe.«
    »Aber das war die Vergangenheit. Die Zukunft gehört dir.«
    Nachdem Hilde sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, ging Frau Lancke in die Küche, goß schnell einen Tee auf und schüttete ein wenig Konfekt in eine Schale.
    Hilde sah sich im Zimmer um. Der vornehme Prunk gefiel ihr, aber ihr kam alles ein wenig stumpf und dunkel vor … die schweren Übergardinen, die dunklen Spitzen, die Teppiche – alles drückte auf das Gemüt und machte melancholisch. Auch ein Foto von Vater Wüllner sah sie in der Ecke hängen; die Ähnlichkeit mit Heinz fiel ihr sofort auf – nur daß der Vater strenger blickte, während der Sohn ein geliebtes Schnöselchen blieb.
    Hilde mußte lächeln bei dem Gedanken und hob unbewußt ein Blatt vom Boden auf, das aus einer halboffenen Schublade des Schreibtisches gefallen zu sein schien. Dabei fiel ihr Blick auf den Namen Heinz Wüllner. Interessiert begann sie zu lesen. Es war ein Gedicht, mehr eine Ode, eine Hymne, auch wenn darüber stand, es solle eine Elegie sein.
    Halblaut las sie vor sich hin:
    ELEGIE AN EINE GELIEBTE
    Ich will dich nicht nennen,
denn du bist das Feuer, das brennt,
du bist das Meer,
in das ich all' meine Gedanken tauche,
meine Seele und meinen Willen
und mehr, viel mehr –
mich selbst, wie ich bin
und nicht, wie ich sein will.
Du bist wie eine

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