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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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heraus. Es war ein eng mit Schreibmaschine beschriebener Bogen. Hilde setzte sich in den großen Sessel in der Ecke, knipste die Lampe an und las.
    Was Heinz schrieb, las sie wieder und wieder, sie spürte deutlich die kleinen, versteckten Vorwürfe zwischen den Zeilen, daß sie so wenig von sich hören lasse. Aber sie fühlte auch voller Glück die Sehnsucht nach ihren Worten und die Angst, ihr könne etwas geschehen sein. Er erzählte kurz von seinem Leben, erklärte in seiner anschaulichen Art die Gegend und malte ein Bild des Balkans. Seine Beschreibung war so einfühlsam und treffend, daß sie, wenn sie die Augen schloß, die Felsenschluchten fast greifbar vor sich sah.
    Auch in der Nacht stand sie noch zweimal auf, um den Brief zu lesen, obwohl sie ihn inzwischen fast auswendig kannte.
    Am nächsten Tag fuhr sie erst zum Vertrauensarzt und dann in das Kontor des kaufmännischen Direktors der Bartel-Eisenwerke AG.
    Dieser Direktor, ein Mann mit dem goldenen Parteiabzeichen, empfing sie mit übertriebener Höflichkeit, tastete mit seinen Blicken ihre Figur etwas zu deutlich ab und meinte, sie könne direkt anfangen. Als Psychologin sei sie ja Seelenkennerin, so etwas könne er gebrauchen, erklärte er; er wolle auch einmal seine Seele vor ihr ausbreiten und dergleichen Unsinn und fade Sprüche mehr. Er stellte sie ein als Assistentin der Werbeabteilung.
    Hatte Hilde jedoch geglaubt, eine Arbeit zu erhalten, die dem totalen Krieg nützlich sei und eine Unterbrechung des Studiums rechtfertigte, so wurde sie bald eines anderen belehrt. Ihre vordringliche Aufgabe bestand darin, die fertigen Plakatentwürfe und Versandpackungen auf ein bestimmtes Maß zurechtzuschneiden, ja, oft brauchte sie nur die Striche und Bleistiftlinien der Tuschschriften auszuradieren und die Plakate von Klecksen oder Fehlern zu säubern.
    Hilde war empört. Da verbot man ihr das Studium eines totalen Kriegseinsatzes wegen, der aus Papierschneiden und Radieren bestand. Ja, man drohte ihr im Verpflichtungsvertrag mit Gefängnisstrafen, wenn sie die ihr übertragene ›kriegswichtige Arbeit‹ auch nur einen Tag unentschuldigt versäume.
    So radierte sie, schnitt, radierte, schnitt und staunte über ihre Mitmenschen, die jeden Morgen im Büro die Morgenzeitung lasen, ihre Meinungen austauschten und offensichtlich nach wie vor glaubten, Deutschland werde den Krieg gewinnen … weil es die Zeitung schrieb!
    Eines Tages ließ der junge Direktor mit dem goldenen Parteiabzeichen sie in sein Büro rufen, hieß sie Platz nehmen, setzte sich neben sie und entkorkte eine Flasche Kognak.
    Man wolle eine Beförderung begießen, meinte er. Es sei ihm gelungen, sie aus dem sturen Betrieb der Werbeabteilung herauszunehmen und sie als seine Privatassistentin umzubuchen.
    »Was ist meine neue Aufgabe?« fragte Hilde mißtrauisch, denn das Benehmen dieses eingebildeten Mannes mit den schwarzen Pomadehaaren gefiel ihr gar nicht.
    »Ihre Aufgabe?« Er lachte. »Zuerst einmal trinken. Dann werden wir uns weiter unterhalten. Ich habe Sie die ganze Zeit im Betrieb beobachtet; Sie sind ein tüchtiges Mädchen, immer zurückhaltend, immer still … und dabei diese Figur! Haben Sie keinen Freund?«
    »Ich bin verlobt!«
    »Ach? Der Herr ist im Feld?«
    »Ja. Als Kriegsberichter!«
    »Interessant! – Wie lange schon?«
    »Es sind jetzt über drei Monate seit seinem letzten Urlaub. Er ist Oberleutnant.«
    »Hm. Ein Vierteljahr.« Er nippte so genießerisch an seinem Glas, daß die fleischige Unterlippe sich am Rande festsaugte. »Er kann stolz sein, daß Sie ihm treu sind. Ihnen müssen die Männer doch nachlaufen. Bei diesem Gesicht, dieser Figur … oder tun Sie nur so, als ob Sie treu wären?«
    Hilde stand empört auf.
    »Wir wollten geschäftliche Dinge besprechen, Herr Direktor.«
    »Gemach, gemach … wer wird gleich beleidigt sein! Bedenken Sie – wir sind ein sozialer Betrieb. Uns interessiert das häusliche Leben unserer Betriebsgemeinschaft.« Dabei ergriff er ihre Hand und wollte Hilde in den Sessel ziehen.
    Sie entzog ihm brüsk die Hand und wollte zur Tür. Da sprang der Mann auf, riegelte die Tür ab und stand lächelnd davor.
    »Machen Sie sofort die Tür auf und geben Sie den Weg frei!« rief sie wütend und schüttelte die Locken in den Nacken.
    »Süß!« meinte das goldene Parteiabzeichen. »Und wenn ich es nicht tue?«
    »Dann schreie ich!«
    »Die Tür und die Wände sind gepolstert, das hört niemand.«
    »Was wollen Sie von

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