Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
mir?«
    »Dich!«
    Frech, geil, brünstig kam dieses Dich von seinen Lippen. Seine Augen wurden starr und glasig. Hilde wich zurück zum Schreibtisch und versuchte, auf einen der Signalknöpfe zu drücken. Da stand der Direktor mit einem Satz neben ihr und bog ihren Leib zurück. Wild trat Hilde um sich, bekam eine Hand frei und schlug mitten in das lüsterne Gesicht, mitten auf die Nase, so daß Blut auf die weiße Hemdbrust des goldenen Parteiabzeichens tropfte. Dann sprang sie, während er zurücktaumelte, zur Tür, riß den Riegel auf und stürmte durch das Sekretariat aus dem Haus.
    Von diesem Tage an kam Hilde nicht mehr in die Bartel-Werke, trotz aller Mahnungen und Strafandrohungen wegen Sabotage und Arbeitsverweigerung.
    Die Folgen zeigten sich in einer Woche.
    Hilde Brandes bekam eine Ladung zum Sondergericht wegen Arbeitsverweigerung, Mißhandlung des Direktors, tätlicher Beleidigung und antinationaler Aufhetzung der Kollegen.
    Obwohl sie sich denken konnte, wie gefährlich die ganze Angelegenheit war in einer Zeit, in der schon ein falsches Wort zu einem Todesurteil führen konnte, ging sie erstaunlich gefaßt zum festgesetzten Termin, ließ alle Anklagen über sich ergehen, sagte dann mit einer festen und klaren Stimme, die nicht ohne Eindruck blieb, wie der Fall in Wirklichkeit sei, wie man sie notzüchtigen wollte und sie sich in Notwehr verteidigt habe.
    Das Gericht sah es dennoch nicht ein. So etwas käme im nationalsozialistischen Reich nicht vor. Der Betrieb sei ein Musterbetrieb und habe von Dr. Ley die goldene Fahne bekommen. Der Direktor sei bekannt als ein guter, ordentlicher und pflichtbewußter Bürger, als ein hervorragender Nationalsozialist, was sein goldenes Parteiabzeichen beweise. Schon darum sei es eine Anmaßung, solche Lügen vorzubringen. Sie gehöre in ein Konzentrationslager, weil sie die Arbeiter verhetze. Ihre Aussagen seien Landesverrat und Sabotage.
    Hilde Brandes vermochte diese Anklagen nicht zu entkräften. Was sie auch vorbrachte – es wurde nicht beachtet.
    Da trat plötzlich eine Wendung ein.
    Der Name Wüllner fiel in der Runde.
    Erstaunt sah der Vorsitzende auf.
    »Der Wüllner vom Europaruf?«
    »Ja, er ist mein Verlobter.«
    Der Vorsitzende sah zu dem goldenen Parteiabzeichen hinüber und zuckte leise mit den Achseln. Dann fragte er: »Weiß Ihr Verlobter von dem Prozeß?«
    »Nein, aber ich werde ihm genau berichten!« sagte Hilde hart und fühlte, daß sie gewonnen hatte.
    So war es. Hilde wurde freigesprochen ›mangels Beweise‹. Sie mußte unterschreiben, an den Betrieb keine Forderungen zu stellen und über alle Vorkommnisse zu schweigen. Im übrigen solle sie zu ihrem Studium zurückkehren – ihre Verpflichtung sei ein Irrtum gewesen, man wolle das Arbeitsamt dergestalt benachrichtigen. Heil Hitler! Unterschrift!
    So wurde Hilde mit der nationalsozialistischen Justiz, mit der Rechtsprechung eines Volksstaates bekannt. Und wieder war es ihr, als würde dieser ganze Bau völlig zerfressen hin und her wanken und nur eines leisen Anstoßes bedürfen, um zu stürzen.
    Das goldene Parteiabzeichen aber engagierte sich eine neue Assistentin, die willfähriger war und nebenbei dem BdM Glaube und Schönheit angehörte. Er nahm ihr schnell die Schönheit, weil der Glaube, wie er sagte, für ein Mädchen wichtiger sei.
    Er war froh, dieser Wüllner-Hexe entkommen zu sein.
    Und außerdem hatte das neue Mädchen einen größeren Busen – er war sehr mit sich zufrieden.
    In dieser Nacht nach dem Gerichtsentscheid hatte Hilde einen merkwürdigen Traum. Sie sah die Felsen des Balkans und unter den Felsen eine ziehende deutsche Truppe. Sie selbst schwebte wie ein Engel über allem und sah inmitten der Kolonnen Heinz Wüllner gehen. Blaß sah er aus, verhungert und schmutzig. Da neigte sich auf einmal der Felsen über den Soldaten, bröckelte, Steine rollten in die Schlucht … »Heinz!« schrie sie … »Heinz, Vorsicht!« – Da rollte mit dumpfem Knirschen die Felswand ins Tal, zermalmte die Kolonnen und senkte sich in ihrer ganzen Breite zur Seite, schwer, langsam und grollend … Heinz Wüllner aber hob die Arme flehend zum Himmel, rief noch ein Wort – da hatte ihn der Felsen unter sich begraben.
    »Heinz …«, schrie sie da auf, »… Heinz … Heinz …«, laut, gellend und schrill, »… Heinz … Heinz … Heinz!!«
    Entsetzt fuhr sie aus den Kissen hoch, erwacht von der eigenen Stimme …
    In der gleichen Nacht, um die gleiche Stunde, trugen vier Soldaten in

Weitere Kostenlose Bücher