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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Zeltbahn einen verwundeten Oberleutnant aus dem Feuer der Schlacht, während die Felsen bebten und die Steine jaulten vom Einschlag der Granaten … Es war Kriegsberichter Heinz Wüllner …

8
    Im Reserve-Lazarett III zu Belgrad saß fünf Wochen später ein großer, schmächtiger Mann vor dem Chefarzt und hielt seine Entlassungspapiere in der Hand. Die ergrauten Haare flatterten im Zugwind der offenen Fenster und legten sich um das schmale, angegriffene Gesicht.
    Der Chefarzt blickte ihm freundlich in die Augen und putzte dabei seine Goldbrille.
    »Tja, nun ist es soweit, lieber Wüllner. Den Kratzer auf der Brust hätten wir glücklich zu und kv. sind Sie auch wieder, wenn Sie auch an die fünfzehn Pfund abgenommen haben – was tut's, das holen Sie bald wieder auf. Als Kriegsberichter hat man ja ein gutes Leben.«
    Heinz Wüllner vermied es, eine andere Ansicht zu äußern und nickte nur.
    »Aber da ist gestern ein Schreiben aus Berlin eingelaufen. Sie sollen im Besitz einer sensationellen Funkaufnahme sein und sie persönlich in Berlin abliefern. Ich gebe Ihnen sechs Tage Sonderurlaub, um Ihre Sache in Berlin zu regeln.«
    »Darf ich wissen, von wem dieser Brief kommt?«
    »Vom Propagandaministerium.«
    »Und wer unterschrieb ihn?«
    Der Oberstabsarzt nahm ein Schreiben aus der Mappe und sah nach.
    »Die Schrift ist unleserlich. Es sieht aus wie Eber oder Ewers oder …«
    »Dr. Elbers. Ministerialrat Dr. Elbers. Der Leiter der Frontpropaganda.«
    »Dr. Elbers? Der hat doch gestern im Rundfunk gesprochen. Von wegen Sieg und so weiter. Na, dann fahren Sie man nach Berlin und grüßen Sie mir das Brandenburger Tor. Da habe ich als Junge immer darunter gestanden, wenn die Wachtparade um zwölf Uhr vorbeimarschierte.«
    Der Chefarzt drückte Wüllner die Hand, klopfte ihm auf die Schulter und schob ihn dann aus seinem Zimmer.
    Da stand er nun, der Kriegsberichter Heinz Wüllner, aus dem Lazarett kv. entlassen, mit sechs Tagen Sonderurlaub nach Berlin und der Ungewißheit darüber, warum er diesen Urlaub erhalten hatte. Die Tonaufnahme konnte er ebenso mit der Kurierpost schicken, wie die anderen Aufnahmen auch. Daß Dr. Elbers den Antrag stellte, war ihm ein Rätsel. Doch was sollte er weiter darüber nachdenken – die Hauptsache, er kam ein paar Tage von hier weg.
    In Belgrad setzte er sich in das Kurierflugzeug nach Berlin, landete am nächsten Morgen in Tempelhof bei hellem Sonnenschein und fuhr zum Propagandaministerium in der Wilhelmstraße.
    Ministerialrat Dr. Elbers empfing ihn mit einem herzlichen Händedruck.
    »Sie haben sich sicher gewundert über den unerwarteten Sonderurlaub«, sagte er. »Als ich von Ihrem Lazarettaufenthalt erfuhr, sah ich eine Chance für ein Gespräch unter vier Augen – abgesehen davon, daß Ihnen dies Gelegenheit gibt, Ihre Verlobte wiederzusehen. Also … na ja, vielleicht ist das unser letztes Treffen. Ich werde nämlich überwacht. Von der Gestapo.«
    Wüllner glaubte nicht recht gehört zu haben.
    »Sie stehen unter Überwachung? Ja, warum denn?«
    »Wegen meiner Röhm-Geschichte. Man vermutet, ich unterhalte geheime Verbindungen mit den Verschwörern und vor allem mit den Brüdern Strasser.«
    »Und? Wie ist die Wahrheit?«
    »Mit Röhm – das stimmt. Da hing ich mit dazwischen und konnte mich im letzten Augenblick retten. Mit Strasser verband mich tiefe Freundschaft, als er noch zu den Vertrauten Hitlers zählte. Ab und zu schrieben wir uns auch über ein Postamt in der Schweiz und postlagernd nach Basel. Aber ich versichere, daß es nur eine rein freundschaftliche Korrespondenz war, wenn auch Strasser ab und zu seine Pläne andeutete und vieles voraussah, was heute eingetroffen ist. Ich frage mich nur, wie man das bei Himmler herausbekommen hat.«
    »Spionage gegen das eigene Volk«, entgegnete Heinz Wüllner. »Es sollte mich nicht wundern, wenn man Sie eines Tages in Dachau wieder trifft. Ist es schon soweit, daß man Sie überwacht, so kann ich Ihnen nur einen Rat geben: Kehren Sie zurück zu Karl May und von mir aus auch zu Edgar Wallace und kleben Sie sich einen falschen Bart an, setzen Sie sich eine Brille auf und retirieren Sie in die Schweiz oder nach Schweden.«
    Dr. Elbers sah Wüllner zweifelnd an.
    »Aber wenn ich flüchte, wird man das als ein Schuldbekenntnis auffassen. Man wird meine Auslieferung erwirken, und dann rettet mich nichts mehr vor dem Strang.«
    »Mein Gott, sind Sie umständlich, Dr. Elbers.« Heinz Wüllner schüttelte den Kopf.

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