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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Armselige Bande, ihr wollt es besser machen als die, vor denen ihr euch fürchtet? Männer müssen wir haben, Männer, die keine Furcht kennen und die zu leiden bereit sind für die Freiheit – aber keine armseligen Wänste, die zittern, wenn nur ein Auge auf sie fällt. Deutschland braucht Persönlichkeiten, braucht Geist, Kraft, Können, Weitblick, Mut, Geschicklichkeit und Selbstvertrauen an seiner Spitze, nicht Memmen, die beim leisesten Wort der Opposition zusammenbrechen wie eine exzentrische Frau beim Erscheinen einer Maus.
    »Es wäre interessant, Adolf Hitler in der Ekstase zu sehen«, meinte Borgas und nippte an seinem Glas.
    Dr. Curtius schüttelte den Kopf:
    »Interessant, sagen Sie? Na, ich danke. Wer ihn einmal gesehen hat, wenn er die Nerven verliert, der wünscht sich in alle Höllen, nur nicht in seine Nähe. Man erzählt hinter vorgehaltener Hand, er habe sich im Hauptquartier auf den Boden geworfen und in die Teppiche gebissen, habe gebrüllt wie ein Irrer, und die Generäle verließen leichenblaß das Zimmer.«
    »Das mit den Teppichen glaube ich nicht«, entgegnete Wüllner, »soweit läßt sich unser oberster Kriegsherr nicht gehen – aber auf jeden Fall scheint es mir eine gute Anekdote, die einen Wahrheitskern enthält. Ohne Zweifel ist Hitler ein pathologischer Fall. Ein Mann, der mit einer extrem zielgerichteten Energie und einer geradezu verbissenen Sturheit sich selbst und seine Mitmenschen in die Vernichtung treibt. Und die, die nach uns kommen, werden es trotz unzähliger gelehrter Erklärungsversuche niemals verstehen können, wie es möglich war, daß ein Kulturvolk wie das deutsche sich von einem Geisteskranken bis in den Tod hat faszinieren lassen.«
    Dr. Curtius, der mit dem Schrecken das immer lauter werdende Gespräch zu dämpfen suchte, rutschte auf seinem Sessel hin und her, fingerte an seinem Glas herum und tupfte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ich halte es für besser, wenn wir unsere Unterhaltung in meinem Haus fortsetzen«, benutzte er endlich eine Gesprächspause, um seinen Vorschlag anzubringen. »Man ist dort ungestört und kann Dinge besprechen, die hier vor wachen Ohren nicht gerade zweckdienlich sind. Ich setze Ihr Einverständnis voraus.«
    »Halt!« Borgas faßte ihn am Ärmel, als sich Curtius erheben wollte. »Das kommt gar nicht in Frage. Wenn heute jemand Gäste einlädt, so bin ich es. Ich habe zwar nur eine richtige Künstlerbude mit Glasdach und Modelliertischen, dafür wohnen wir unter dem Himmel, wo die Wahrheit noch gilt, und die Sterne blitzen, als wollten sie sagen: Ihr armen Würmer … eure Sorgen sind vergänglich, euer Leid bemessen – seht die Ewigkeit und tröstet euch an ihrer Schönheit. Dann wird man so frei und leicht, daß man denken kann, man lebe überhaupt nicht mehr, sondern sei eins mit den funkelnden Sternen, eine Mikrobe im Weltenraum.«
    Er hakte Hilde unter und faßte mit der anderen Hand Curtius. Während Wüllner die Rechnung beglich, waren die drei schon im Marmorfoyer in ihre Mäntel geschlüpft und auf die Straße getreten.
    Wüllner folgte ihnen nach wenigen Minuten, langsam und bedächtig, als wolle er bewußt den Gleichgültigen spielen. Dabei hatte er durchaus ein unbehagliches Gefühl, daß auch bei ihm selbst Erkenntnis und Tat zwei verschiedene Dinge waren, die nicht recht zusammenpaßten. Aber dann gab er sich einen Ruck und verdrängte die Stimme des schlechten Gewissens.
    Es war eine warme Frühlingsnacht, in der Luft lag der Duft von fernen Blüten. Die leichten Wolken am Himmel schoben sich spielerisch vor den Mond, der mit breitem Lächeln auf die geschändeten Mauern der Metropole eines Reiches schaute, das sich wie Tantalus bemühte, den schweren Stein des Krieges auf den Berg zu wälzen. Aus einem nahen Fenster tönte leise Radiomusik … Ein Tenor sang das Lied: Freunde, das Leben ist lebenswert! Eine mittelmäßige Frauenstimme trällerte dazwischen. Und an der Ecke zankten sich zwei Betrunkene um einen Grand mit Vieren, den der eine durch einen Kiebitz verloren hatte. Aufgeputzte Dirnen liefen ihre Reviere ab, in einigen Haustüren standen engumschlungene Pärchen, und an der Häuserwand lehnten halberwachsene Jungen und rauchten in der hohlen Hand eine Zigarette. Es war das übliche Bild der Großstadt. Nebeneinander von Komik, Tragik, Untergang und Lebensfreude, es war das ewige Steigen und Fallen – und doch lag seit Jahren über allem ein unbestimmter, phosphoreszierender Schein, eine immer stärker

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