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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schloß er die Türe auf und schaltete die Treppenbeleuchtung ein. Ein Geruch von Sauerkraut schlug den Eintretenden entgegen, vermischt mit dem Qualm aus verstopften Ofenrohren.
    Hilde nahm schnell ihr Taschentuch, tröpfelte etwas Kölnisch Wasser darauf und hielt es vor den Mund.
    »Es ist kein Odeur de Paris, was Sie hier finden«, meinte Borgas mit leisem Spott. »Das ist Fleur de Revolution!«
    Hilde schüttelte den Kopf. »Der Rauch beißt in den Augen – der Geruch ist halb so schlimm.«
    Sie stiegen über eine schmierige Treppe die Etagen empor und umgingen die Schmutzhäufchen, die überall in den Ecken der Stufen lagen. Borgas meinte zu Curtius, der sich an dem Geländer festhalten wollte:
    »Nicht anfassen, lieber Doktor! Dieses Treppengeländer ist seit einem Jahr nicht abgewaschen worden. Es klebt wie ein Fliegenfänger.«
    Schnell zog Dr. Curtius seine Hand angewidert zurück und rieb die Finger wie reinigend aneinander. Fassungslos fragte er:
    »Gibt es hier denn keinen Hausmeister?«
    »Hausmeister!« Borgas bog sich vor Vergnügen. »Wenn hier im Monat einmal nach großem allgemeinem Krach die Treppe gekehrt wird, so ist dies ein Ereignis, das in die Zeitung müßte.«
    Endlich, nach sechs Stockwerken, standen sie vor einer rohen Brettertür, die einen Teil des Speichers abtrennte. Borgas schloß das große Vorhängeschloß gemächlich auf und knipste die Deckenbeleuchtung an. Die vier betraten einen großen, fast quadratischen Raum, an dessen schräger Hinterwand ein riesiges Glasfenster war. Verschiedene Staffeleien und Modelliertische standen im Raum und einige Kübel mit Ton, in Wasser gelagert. Auf einem Tisch stand eine halbfertige Büste, rechts im Hintergrund gewahrte man eine Couch, einen großen Tisch und zwei Sessel. Vor dem Glasfenster stand ein Podest für das Modell. Links war eine Kochnische eingerichtet mit einem kleinen elektrischen Herd. In der Ecke standen ein primitiver Schrank mit Geschirr, einige Korbstühle und ein fahrbares Tischchen. Das Auffallendste aber war ein großer Bücherschrank an der linken Wand, vollgepfropft mit Büchern, davor eine rohe, einfache Kiste, brüchig und schmutzig – nur daß jetzt ein großer Blumenstrauß sie zierte.
    Borgas sah das Erstaunen seiner Gäste und lächelte in sich hinein.
    »Äußerst primitiv, nicht wahr? Aber es ist mein Eigentum, ist ein kleines Reich für mich. Und die Kiste? Kinder, wenn ihr wüßtet, wie wertvoll mir diese Bretter sind. Sie sind das Andenken an meine grausamste Zeit.«
    Dr. Curtius hob den Kopf:
    »Aus dem KZ?«
    »Ja. In dieser Kiste mußte ich die verkohlten Leichen meiner Kameraden in die Chlorkalkgrube tragen. Später transportierte ich damit Ampullen voll Gift und die Präparate, mit denen man anderen Häftlingen Cholera, Krebs und Typhus einimpfte. Bei meiner Entlassung, die völlig überraschend kam und sicherlich Seltenheitswert besitzt, nahm ich sie mit – als Andenken. Vielleicht kommen doch mal wieder bessere Zeiten, dann soll die Kiste mich mahnen, niemals zu vergessen, wozu sogenannte zivilisierte Menschen fähig sind, wenn man sie nur richtig zu behandeln versteht.«
    Borgas wischte sich über die Augen.
    »Aber was rede ich da! Ich will euch nicht langweilen mit meinen Gespenstergeschichten. Nehmt Platz und greift zu – ich ziehe mich schnell um.«
    Damit verschwand er hinter einem Vorhang, der links einen Teil des Ateliers abtrennte.
    Wüllner schenkte aus einer Flasche Weinbrand, die er im Bücherschrank fand, vier Gläser ein, kredenzte sie Hilde und Dr. Curtius und nahm selbst in dem Sessel Platz. Hilde und Curtius setzten sich auf die Couch. Spielerisch nahm Heinz einen Tonklumpen in die Hand, drückte Nase und Augen, Ohren und Kinn heraus, während Hilde noch immer erstaunt um sich blickte.
    Als Borgas wieder hinter dem Vorhang hervortrat, angetan mit einem hellen Frühjahrsanzug, und sich neben Wüllner in einen Sessel setzte, fragte Wüllner und sah Borgas dabei fest in die Augen:
    »Friedrich, sei einmal ehrlich, hast du nichts gemerkt, als du heute das Delphi verließest?«
    Borgas, Dr. Curtius und Hilde blickten erstaunt auf Wüllner.
    »Was soll ich schon gemerkt haben? Die Mädchen an der Ecke?«
    »Rede keinen Quatsch! Im Delphi selbst!«
    »Nein!«
    »Dr. Curtius?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Hilde?«
    »Ich wüßte nicht, was! Doch, halt – du kamst ziemlich spät aus der Tür. Wir standen ja schon fünf Minuten auf der Straße.«
    Wüllner nickte. »Richtig. Ich

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