Heimkehr
jedoch geirrt. Und dieser verheerende Irrtum kann uns das Leben kosten.
Hier gibt es keinen Überfluss, sondern nur Fre m d heit, die uns am Tage auflauert und des Nachts um unsere behelfsmäßigen Hütten strei f t. Beinah in jeder Nacht schrecken Leute sch r eiend aus Alpträumen auf, an die sie sich anschließend n i cht mehr e r innern können. Eine junge, leichtlebige Frau wird seit z w ei Tagen ver m isst. Auf den Straßen von Ja m ailliastadt ließ sie sich für ihre Hurendienste mit Gold bezahlen. Sie hat ihr Gewerbe hier weitergeführt und sich von d e n Männern, die zu ihr gingen, m it Le b e ns m itteln b e zahlen lassen. Wir wissen nicht, ob sie ebenfalls in die Sü m p fe gelaufen ist oder von einem aus unserer Companie ermordet wurde. Da h e r schwe b en wir in der quälenden Ungewissheit, ob wir einen Mörder in unserer Mitte beherbergen oder ob dieses schreckliche Land bloß ein weiteres Opfer gefordert hat.
Wir Müt t er leiden am me isten, denn unsere Kinder verlangen mehr von uns als d i e kargen Rationen, die man uns zutei l t. Die Vorräte vom Schiff s i nd längst aufgebraucht. Ich suche täglich nach Nahrung, und me ine Söhne begleiten m i ch. Vor ein paar Tagen stieß ich auf einen Hügel m it lockerer Erde. Als ich ihn näher un t ersuchte, entdeckte ich Eier m it braun gefleckter Schale. Es waren beinahe fünfzig an der Zahl. Einige Männer weigerten sich, sie zu kosten. Sie wollten keine Schlangen- oder Echseneier esse n . Wir M ütter dag e gen hegten keine solchen Bedenken. Außerdem stieß ich auf eine lilienartige Pflanze, die ich jedoch nur m it Mühe aus dem su m p figen Boden ziehen kann. Stets werde ich dabei mit dem ätzenden Wasser bespritzt, und ihre W u rzeln sind lang und faserig. Doch daran hängen kleine Klü m pchen, kaum größer als eine Perle, die ein angenehm pfeffriges Aroma entfalten. Sewet hat die Wur z eln ver a rbeitet und Körbe und jüngst sogar eine grobe Decke daraus geflochten. Das kommt uns sehr gelegen. Unsere Röcke sind längst bis h i nauf zu den Waden zerfetzt, und unsere Schuhe s i nd so dünn wie Papier. Alle waren überrascht, wie ich diese kleinen Lilienperlen entdecken konnte. Und einige Leute fragten m ich, woher ich gewusst habe, dass sie essbar sind.
Die Antwort darauf m u sste ich schuldig bleiben. Irgendwie kamen m ir die Blumen bekannt vor. Ich k a nn nicht sagen, was m i ch veranlasste, s ie mitsamt den Wurzeln aus der Erde zu ziehen, oder was m i ch gar dazu brachte, die perlenför m igen Klü m pchen abzupflücken und in den Mund zu stec k en.
Die Männer, die bei uns geblieben sind, beschweren sich ständig darüber, dass sie n achts wachen und unsere Feuer in Gang halten m üssen. Ich gl a ube, wir Frauen arbeiten in Wahrheit genauso schwer wie s i e. Es ist sehr ermüdend, unter diesen widrigen Umständen die Sicherheit unserer Kinder zu gewährleisten, s i e zu füttern und sauber zu halten. Und ich m uss zugeben, dass i c h von Chellia viel darüber gelernt habe, wie i c h besser mit m einen Jungen zurechtkomme. Chellia hat in Jamailliastadt als einfac h e Wäscherin gearbeitet, und de n noch ist sie hier zu meiner Freund i n geworden. Wir teilen uns die kleine Hütte, die wir für d i e fünf Kinder und uns selbst e rrichtet haben. Ihr Mann Ethe ist ebenfalls als Kundschafter h i nausgezogen. Dennoch hat sie ihr fröhliches Wesen behalten und hält ihre drei Kinder an, ihr b e i den täglichen Verrichtungen fleißig zur Hand zu gehen. U n sere Älte s ten schicken wir ge me insam hinaus, um trockenes Holz für die Feuer zu sammeln. Aber wir schärfen i hnen ein, nur so weit zu gehen, wie sie die Geräusche des Lagers noch hör e n können. Petrus und Olpey beklagen sich, dass es hier in der Nähe kein trockenes Holz me h r gibt. Chellias Töchter Piet und Likea passen auf Carl m in a u f, während Chellia und ich das Wasser aus den Tro m petenblüten sammeln und alle Pilze ernten, derer wir habh a ft werden können. Wir haben eine Rin d e entdeckt, aus der wir einen würzigen Tee gewinnen, und ihr Mus hilft auch, unseren Hunger ein wenig zu lindern.
Ich bin froh über Chellias Gesellschaft. Sowohl Marthi als auch ich werden ihre Hilfe benötigen, wenn die Zeit der Wehen naht. Doch ihr Olpey ist etwas ä l ter als me i n Petrus und verführt me inen Sohn zu kühnen und leich t sinn i gen Taten. Gestern waren die beiden bis zum Einbruch der Dunkelheit unterwegs und s i nd dennoch nur m it je einem Ar m voll Feuerholz
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