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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hoch, in denen ich in einer frem d en Stadt wandle, mich f ü r je m and anders halte und an einem anderen Ort lebe. Wenn ich me ine Augen öffne, den Schlamm, die Insekten und den Hunger sehe, sehne ich m i ch manc h m al da n ach, sie e i nfach wieder zu schließen und in me inen Traum zurückzugleiten. Hat vielleicht genau dieses Schicksal die hilflose Fa m ilie ereilt? Als wir sie fanden, hatten alle fünf d i e Augen weit geöffnet. Wir haben ihre Leichen dem Fl u ss übergeben. Das Konzil hat ihre wenigen Habseligkeiten eingezogen und sie unter uns verteilt. Viele jedoch m urren, dass das Konzil diese Überbleibsel nur den eigenen Fr e unden zugewiesen habe, nicht denen, die ihrer am dringendsten b e dürfen. Die Unzufriedenheit m it diesem Konzil der Wenigen, die uns allen ihre Rege l n auferlegen, wächst.
    Und auch unser z weifelhafter Zufluchtsort lässt uns all m ählich im Stich. Selbst d a s geringe Gewicht unserer geflochtenen Hütten verwandelt die dünnen Grassoden in Schlamm. Ich habe immer ver ä chtlich über die gesprochen, die im Sch m utz lebten, und gesagt, ›Sie vegetieren dahin wie Vieh‹. In Wahrheit jedo c h leben selbst die wilden Tiere des Dschungels wesentlich würdevoller als wir. Ich beneide die Spinnen um ihre Netze, die im Sonnenlicht über unseren Köpfen schimmern. Ich beneide die Vögel, deren Nester über unseren K ö pfen schaukeln, weit außerhalb der Reichweite von S c hlamm und Schlangen. Ich beneide sogar die spreizf ü ßigen Su m p fkaninchen, wie unsere Jäger diese kleinen Tiere nennen, die so geschickt über das verfilzte Schilf u n d die treibenden Blätter der seichten Stellen laufen. Am Tag saugt die Erde bei jedem Schritt, den ich tue, an m einen Füßen. In der Nacht sinken unsere Matten in die Erde, und wir wachen durchnässt auf. Wir m ü ssen dringend eine Lösung finden, aber die anderen sagen nur: »Warte. Unsere Kundschafter kommen bald zurück und führen uns an einen besseren Ort.«
    Ich glaube, der einzige bessere Ort, den sie gefunden haben, ist an Sas Busen. Dorthin werden wir bald alle gehen. Werde ich je ma ls die friedliche Ja ma illiastadt wiedersehen, jemals wieder in einem Garten voller schöner Bl u m en wandeln, je m als wie d er die Freiheit genießen, m i ch satt zu essen und zu tr inken, ohne m ich um das Morgen sorgen zu müssen? I c h verstehe diese Versuchung, meinem Leben zu entkom m en, indem ich m ich den Träumen von einem besseren Ort hingebe. Nur me ine Söhne halten m ich noch in dieser Welt fest.
     
     
Tag sechzehn des Weizenmondes
    Im vierzehnten Jahr der Regentschaft des
    Hochherrschaftlichen und Erhabenen Satrapen Esclepius
     
     
    Was das wache Bewusstsein nicht wahrnim m t, weiß me in Herz längst. In einem Tra u m bewegte ich m ich wie der Wind durch die Regenwildnis, glitt über den weic h en Boden und strich durch d i e schwankenden Äste der Bäume. Unbehelligt von Schlamm und ätzendem Wasser erkannte ich plötzlich die vielschichtige Schönheit unserer U m gebung. Ich balancierte wie ein Vogel trippelnd auf einem Farnwedel. Ein Geist d e r Regenw i ldnis flüsterte mir zu: »Versuche, sie zu beherrschen, und sie wird dich verschlingen. Werde ein Teil von ihr und lebe.«
    Ich weiß nicht, ob mein w a cher Verstand etwas von all dem glaubt. Mein Herz schreit nach den weißen Tür m en von Jamailliastadt, nach dem l e isen Glucksen des Wassers in seinem Hafen, n ach sei n en schattigen Arka d en und sonnenüberfluteten Plätzen. Ich hungere nach der Musik und der Kunst, nach Wein und Poesie, nach Nahrung, die ich nicht dem dichten Gew i rr dieses widerspenstigen Dschungels entreißen m u ss. Ich hungere nach verfeinerter Schönheit an diesem brutalen Ort.
    Heute habe ich weder Wass e r noch Nahrung gesammelt. Statt dessen opferte ich zwei Seiten dieses Tagebuches, um Skizzen von Unt e rkünften zu entwerfen, die dies e m unbarmherzigen Platz Rechnung tragen. Außerdem habe ich Hängebrücken gezeichnet, die unsere Heime verbind e n könnten. Dafür ist es allerdings erforderlich, Bäume zu fällen und zurechtzuschneide n . Als ich m eine Entwürfe herumzeigte, haben einige Leute m i ch verspottet und meinten, diese Arbeit wäre v o n einer so kleinen Zahl von Menschen nicht zu bewältig e n. Andere wiesen m i ch daraufhin, dass unsere Werkz e uge hier sehr rasch rosten. Ich entgegnete, dass wir sie dann schnellstens einsetzen sollten, um Unterkünfte zu errichten, die uns nicht im Stich lassen, wenn unsere Werkzeuge

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