Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
Vom Netzwerk:
Bei Romain kam es nur darauf an, ein neues Blatt zu beschreiben – bei Raiger dagegen mußten alte Schriften getilgt und überschrieben werden. Dazu aber fühlte sie sich zu schwach.

XVII
    Vena versank in einer Woge von Arbeit. Sie fand kaum noch Zeit, ein persönliches Wort mit Romain zu wechseln.
    Sie mußte zahlreiche Gespräche mit den Heimkehrern fuhren und dabei versuchen, die Männer für das Wiedereingliederungsprogramm zu gewinnen. Wichtig war auch, mit allen Betreuerinnen engere Verbindung zu halten und sich einen breiten Überblick zu verschaffen, in welcher Situation sich die Abgereisten befanden. Sie mußte Klarheit in das Durcheinander bringen und die Zügel in die Hand bekommen.
    Mancher der Heimkehrer hatte die Fernsehübertragung der Ratssitzung gesehen, war nachdenklich geworden und kam zurück.
    Einen Teil ihrer knappen Freizeit widmete Vena Raigers Manuskript. Erst nur, weil sie es ihm versprochen hatte, dann aus echtem Interesse. Wenn es gelang, die Gravitation aufzuheben, eröffneten sich Perspektiven, die man noch nicht abzuschätzen vermochte. Aber sie hatte auch Bedenken – sie kannte Raiger zu gut, um nicht zu bemerken, daß es in seiner Arbeit Stellen gab, die noch nicht ausgereift waren.
    Weniger weil sie überzeugt wäre, daß ihr Romain helfen könne, als vielmehr aus dem Gefühl heraus, mit ihm verbunden zu sein, gab sie Raigers Arbeit an Romain weiter.
    Romain studierte sie mit einem Interesse, das Vena nicht erwartet hatte. Sein Eifer entsprang dem Streben nach Anerkennung. Sollte er eingestehen, daß die Arbeit zu hoch für ihn sei? Seine Unwissenheit erschien ihm wie eine Kluft, die ihn von den Zeitgenossen trennte, und er war bemüht, sie so bald wie möglich zu überwinden.
    Es fiel ihm nicht leicht, sich in das Projekt hineinzufinden, da er die Abstraktion der mathematischen Beweisführung nicht beherrschte, aber mit Nasarows Beistand begriff er schließlich den Inhalt der Arbeit in großen Zügen. Jetzt begann sie ihn zu fesseln, denn einer ihrer Expeditionsaufträge war es ja gewesen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitation zu erforschen. Romain und Nasarow stießen auf Widersprüche, ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen, und zogen nun die Physiker und die Astronomen hinzu.
    Es machte Romain froh, daß aus dem Studieren eine echte Auseinandersetzung wurde, daß die Heimkehrer nicht nur mitreden, sondern sogar widersprechen und damit zur Klärung eines zeitgenössischen Problems beitragen konnten.
    Das stärkte sein Selbstvertrauen, besonders Vena gegenüber. Täglich entdeckte er neue Züge an ihr, die ihn anzogen, täglich wurde ihm aber auch klarer bewußt, daß er ihr nicht ebenbürtig war. Fehlende Kenntnisse konnte er sich aneignen, er glaubte jedenfalls, die notwendigen Voraussetzungen zu haben, aber es gab ein Gebiet, auf dem kein Nachholen möglich war. Sein Lebensalter betrug vierzig Jahre, seine körperliche Konstitution aber glich der eines fünfundsiebzigjährigen Zeitgenossen. Die Menschen der Gegenwart hatten eine ganz andere Lebenserwartung als die Genossen der KosmosExpedition. Gewiß, es waren biogene Maßnahmen vorgesehen, aber die Fachleute ließen sich Zeit damit. Es wunderte ihn nicht. Man müßte die Heimkehrer um fünfunddreißig Jahre regenerieren, wenn man Lebenserwartung und Lebensalter auf den Stand der Gegenwart bringen wollte. War das möglich? Es wäre ein Experiment mit ungewissem Ausgang; verständlich, daß man davon zurückschreckte.
    Es drängte ihn, mit Vena darüber zu sprechen, aber er fand nicht den Mut dazu. Wäre nicht die Fahrt in der Schwebekabine und der Spaziergang in der fremden Stadt gewesen, hätte er keinen Gedanken daran verschwendet, doch er wollte diese Stunden nicht vergessen. Er konnte es auch nicht mehr. Wie ein Funke glomm in ihm die Hoffnung, wenigstens einige glückliche Jahre mit Vena zu verbringen. Natürlich war das Unsinn, er machte sich keine Illusionen…
    Um nicht untätig zu verharren, vergrub er sich in die Arbeit. Was nachzuholen möglich war, das wollte er nachholen, und die Arbeit des Raiger Sajoi bedeutete ihm dabei eine große Hilfe.
    An dem Tag, als Raiger Sajois Projekt vor dem Forschungsrat diskutiert werden sollte, saß Romain allein auf einer Bank am See, vor sich einen Fernsehempfänger.
    Er hatte sich bei der Auswertungsarbeit derart zerfahren gezeigt, daß Nasarow ihn hinausschickte. »Tu mir den Gefallen, George, und geh ein bißchen an die Luft. Mit deiner Unruhe hinderst du uns nur.

Weitere Kostenlose Bücher