Heimkehr der Vorfahren
die erdfern gerichtete Zentrifugalkraft der schwerelose Sektor der Erdkruste aus dem Erdverband löst, wenn sich der Inhalt des Erdinneren durch diese Schneise ergießt – ist dieses Risiko tragbar, kann der Referent garantieren, daß es dieses Risiko nicht gibt?«
Sajoi brauste auf. »Das sind doch Halluzinationen aus vergangenen Jahrhunderten! Ich bezweifle, daß das Vena Rendhoffs eigene Meinung ist. Der tägliche Umgang mit den Fossilien des zwanzigsten Jahrhunderts ist gewiß nicht ohne Einfluß auf sie geblieben! Ich wage sogar zu bezweifeln, daß es wissenschaftliche Erwägungen sind, die ihre Einwände bestimmen, sie versucht offensichtlich aus einer gefühlsmäßigen Hörigkeit heraus, das Ansehen der Altmenschen aufzuwerten.«
Vena richtete sich auf. In ihrer Stimme schwang Sicherheit und Stolz, als sie sagte: »Ich bin glücklich, daß ich die KosmosGenossen besser verstehe als mancher andere. Gegen den Vorwurf der Hörigkeit verwahre ich mich aber entschieden! Ebenso gegen die diskriminierenden Bezeichnungen unserer Heimkehrer.«
»Diesem Protest schließt sich der Rat an«, fügte der Vorsitzende hinzu.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Sajoi. »Die begreifliche Erregung…«
»Ich habe sie nicht begriffen«, erwiderte der Vorsitzende.
Die Zustimmung des Forums bewies, daß er im Namen aller sprach.
»Sie sind der Meinung, das Projekt sei verfrüht zur Diskussion gestellt?« fragte der Vorsitzende Vena.
»Der Einwand der Heimkehrer ist berechtigt. Zumindest sollte man den exakten Beweis dafür verlangen, daß das vorgeschlagene Experiment kein unverantwortliches Risiko bedeutet!«
»Deine Einstellung hemmt die Kühnheit der Forschung!« rief Raiger Sajoi Vena zu. »Bei dieser Einstellung ist es doch kein Wunder, daß du bei den… Heimkehrern so versagt hast!«
Das war zuviel. Der Vorsitzende ging hart mit ihm ins Gericht. Sajoi mußte sich einige Worte über Sachlichkeit, Anstand, Benehmen, Disziplin und üble Nachrede anhören, die selbst Romain in den Ohren klangen und ihn neugierig machten, was nun geschehen werde. Der Vorsitzende empfahl dem Forum, Sajoi wegen grober Mißachtung der Hausordnung für sechs Monate mit Diskussionsverbot für den Physikalischen Forschungsrat zu belegen und sein Projekt zur Überprüfung zurückzuweisen.
Zu Romains Erstaunen trat Vena für Sajoi ein, bevor abgestimmt werden konnte. »Ich bitte, das Diskussionsverbot gemäß Artikel zweihundertzwölf der Verfassung auszusetzen.«
Der Rat erfüllte ihre Bitte; das Projekt aber wies er vorerst zurück.
Romain begann zu grübeln. Was war in Vena gefahren? Weshalb trat sie plötzlich für Sajoi ein? Woher kannte sie ihn? Was bedeutete Artikel 212? Beunruhigt kehrte er zu den Genossen zurück.
»Was ist?« fragte Nasarow und legte eine Übersetzung titanischer Unterlagen aus der Hand.
»Zurückgewiesen!« erwiderte Romain und wandte sich an Romeda Tarsa. »Was hat es mit Artikel zweihundertzwölf auf sich?«
Sie blickte ihn aus großen Augen an. »Wie meinen Sie das?«
Romain zögerte. Aber als er die fragenden Gesichter sah, überwand er die unbestimmte Furcht, durch die Antwort persönlich betroffen zu sein, und erzählte.
»In diesem Falle«, antwortete ihm Romeda, »hat Vena Rendhoff intime Beziehungen zu Raiger Sajoi gehabt und ihn irgendwie enttäuscht. Es ist der Eifersuchtsartikel, wie wir ihn spöttisch nennen. Er wird selten angewandt, wer unterwirft schon seine Vernunft dem Gefühl derart, daß er nicht klar denken kann?«
Romain sah sie ungläubig an. Vena und Raiger Sajoi – davon wußte er nichts. Stumm wandte er sich ab und begann verbissen zu arbeiten.
Nasarow stand am Fenster und blickte hinaus in den Park. Romeda war sicher bei Stafford, und er, Nasarow, war allein. Da hatte er nun eine Betreuerin, aber sie betreute einen anderen. Er war nicht böse deshalb. Romeda, Ärztin des ersten Grades, gehörte selbstverständlich dorthin, wo sie am nötigsten gebraucht wurde.
Sie war mit ihm verwandt; was Wunder, daß er auch deshalb stolz auf sie war. Sie gefiel ihm sehr, zumal sie ihn an seine Frau erinnerte.
Die meisten Heimkehrer interessierten sich für ihre Betreuerin. Die Frauen der Gegenwart waren hübsch, allesamt, sie waren gebildet wie keine vorher, der Sport machte sie geschmeidig und grazil, das Leben formte ihr Gesicht harmonisch, und gab ihnen eine anziehende Würde, und jede Disharmonie der Proportionen wurde von einer hochentwickelten kosmetischen Medizin korrigiert. Mußte das nicht die
Weitere Kostenlose Bücher