Heimkehr der Vorfahren
Neigung derjenigen wecken, die Jahrhunderte übersprungen hatten?
Ob es den Medizinkosmetikern gelang, auch sein Äußeres zu korrigieren? Er belächelte sich, wenn er – klein, dicklich und glatzköpfig – neben Romeda ging und sich dabei ertappte, daß er den Hals reckte und den Bauch einzog. Er war eben ein Urururgroßvater, und seine Jugendschönheit war vor Jahrhunderten verblichen.
Er seufzte und beschloß, seinen Spaziergang, den er allabendlich mit Romeda und manchmal auch mit Romain und Vena unternahm, heute allein zu machen.
Während er über die Wege schlenderte, ging ihm durch den Kopf, was Romain von der Debatte berichtet hatte. »Sie beherrschen die Abstraktion unserer Mathematik noch nicht…« Und sein Lieblingsgebiet war die Mathematik! Diese Ohrfeige für den damaligen falschen Beschluß schmerzte ihn. Hätten sie damals gewußt, was sie heute wußten, sie besäßen schon die Erkenntnisse, um ihre Bedenken fundiert zu belegen. Eine interessante Arbeit, die Sajoi vorgelegt hatte, wenn er nur den Berechnungen folgen könnte. Das wäre ein Thema für ihn! Aber was nützte das, erst mußte er die Schulbank drücken… Oder konnte er neben seiner Arbeit an Sajois Forschungsaufgabe mitwirken? Schließlich hatten sie, die Heimkehrer, Bedenken angemeldet, es wäre doch nur richtig, wenn sie Sajoi halfen, mit den ungelösten Fragen seines Projekts fertig zu werden. Kritik war doch nur die eine Seite.
Gewohnt, sich mit Romain auszutauschen, wünschte er, sich in dieser Frage mit ihm zu beraten. Aber wo steckte Romain? Zu Hause war er nicht. Saß er vielleicht im Institut?
Er fand ihn im Arbeitszimmer. Romain las den Bericht über die ökonomische Struktur des titanischen Grundstoffkombinats.
»Schluß für heute«, sagte Nasarow, »du hast die festgelegte Arbeitszeit bereits weit überschritten. Sei vorsichtig, George, ich kenne eine Ärztin ersten Grades, die darauf brennt, dir das Handwerk zu legen!«
Romain lächelte müde und klappte den Hefter zu. »Sie scheint nicht dazusein, sonst hättest du mich wohl kaum vermißt.«
»Ich möchte mit dir reden.« Nasarow trug ihm seine Gedanken vor. »Sajoi ist ein kluger Kopf, er wäre auch für uns ein Gewinn.«
»Ich danke!« Romain schüttelte den Kopf. »Es gibt andere Mathematiker, andere Physiker, auch mit klugen Köpfen!« »Aber nicht mit diesem Projekt.«
»Meinst du, Vena willigt ein, daß er hierherkommt?« Nasarow nickte unbekümmert. »Weshalb nicht? Sie ist objektiv, sonst hätte sie ihn nicht verteidigt. Sie wird die Sache über persönliche Dinge stellen, denke ich.«
»Wer weiß, was für Konflikte sich daraus ergeben – nicht nur für mich, Wassil, für alle. Ich habe ihn heute erlebt. Urgroßväter und Fossilien hat er uns genannt.«
»Dann sollte er helfen, uns zu modernen Menschen zu machen. Man müßte mit ihm Verbindung aufnehmen.«
»Ohne mich.«
»Versuchen könnte man’s«, beharrte Nasarow. »Ich ruf ihn mal an.«
»Er wird sich umbringen vor Freude.«
Nasarow rief den Forschungsrat für Physik an und bat um Auskunft, wo Raiger Sajoi zu erreichen sei.
Romain blieb im Raum. Er begab sich aus dem Bereich der Kamera, behielt aber den Bildschirm im Auge. Nasarow rief das Klubhaus an und bat Sajoi an den Apparat.
Der kam, höflich, verwundert, abwartend.
Nasarow stellte sich vor. »Ihr Projekt hat mich ungemein interessiert«, sagte er.
»Ich habe es bemerkt.« Raiger lächelte kühl.
»Ernstlich. Unsere Einwände können das nur bestätigen. Ich bin überzeugt, daß sich etwas daraus machen läßt.«
»Sehr beruhigend für mich.«
Nasarow ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Er sprach über Details, und es gelang ihm tatsächlich, Raigers Interesse zu wecken. Zwar blieb er spöttisch, aber er war nicht mehr abweisend. Nun glaubte Nasarow, ihn gewonnen zu haben. Er hielt den Boden für sein Anliegen vorbereitet. »Ich würde gern an diesem Projekt mitarbeiten«, sagte er.
»Diese überaus wertvolle fachliche Hilfe hätte ich zwar bitter nötig«, erwiderte Raiger, »aber leider muß ich darauf verzichten.«
»Darf ich fragen, weshalb?«
»Sie dürfen. Offensichtlich sind Sie gekommen, alles an sich zu reißen, was anderen ans Herz gewachsen ist – erst die Frau, dann die Arbeit und schließlich den Erfolg. Das mag vor vierhundert Jahren üblich gewesen sein, heute ist das unerwünscht. Guten Abend!«
Der Schirm erlosch.
Nasarow biß sich auf die Lippen. »Seine Frau«, sagte er. »hast du das gewußt?«
Romain schüttelte
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