Heimkehr der Vorfahren
Fernsehen.«
Romain sah in prüfend an. Damals hatte er Uniform getragen und Mittelscheitel. Wenn er den Jungen fragte, wer denn vor ihm stünde, wüßte der es sicher nicht und müßte den wirklichen Grund nennen, woran er ihn, den Heimkehrer, erkannt hatte. Aber sollte er ihn in Verlegenheit bringen?
Er erkundigte sich nach dem Leiter des Kombinats. Hatte er sich unbeholfen ausgedrückt? Die Mädchen kicherten. Einige Jungen grinsten verstohlen. Der Krauskopf wies sie mit einem scharfen Blick zurecht. Liebenswürdig zeigte er Romain den Weg.
»Dort drüben, das Hochhaus mit der Antenne, dort ist das Lumumba-Kombinat. Bleiben Sie in der Stadt, Genosse Kosmosheld? Besuchen Sie uns im Kinderheim?«
»Sag Romain zu mir. Ich bin nur auf der Durchreise. Wo ist denn euer Heim?«
Der Krauskopf zeigte auf ein mehrstöckiges Gebäude, das in leuchtenden Farben gehalten war. Ringsherum liefen Loggien.
»Wie alt bist du?« fragte Romain den Jungen.
»Vierzehn.«
»Dann kommst du ja bald aus der Schule…«
»Wieso?« fragte der Junge. »Ich gehöre doch erst zur achten Stufe. In zehn Jahren bin ich mit der Grundausbildung fertig.«
»Und dann?«
»Gehe ich zum Einsatz, wie alle anderen.«
»Wohin? Was für ein Einsatz ist das?«
»Aber Genosse Romain! Irgendwohin, wo noch Muskeln gebraucht werden.«
»Gibt es das?« unterbrach Romain überrascht. »Einen Fleck, auf dem. man ohne Maschinen arbeitet?«
»Nicht mal auf dem Mond«, sagte der Junge entrüstet. »Ich meine doch, daß ich dann Arbeiten mache, für die es noch keine Automaten gibt. Vielleicht gelingt es mir, einen zu entwikkeln.«
»Also doch mit Hacke und Schaufel?«
Der Junge schüttelte nachsichtig den Kopf. »So doch nicht. Natürlich haben wir da Maschinen, aber welche, die man noch mit der Hand bedienen muß.«
Romain hütete sich, näher auf dieses Thema einzugehen.
»Und was willst du werden, ich meine, welchen Beruf…«
»Meteoromatiker. Das ist eine tolle Sache. Früher war hier alles Sand. Man konnte damals das Wetter nicht beherrschen, sagt unser Geographielehrer. Die Meteoromatik kann es! Und dann Gerätebauer.«
»Nanu?«
»Pflückgeräte, Pflegegeräte, Sprühgeräte. Auf den Plantagen gibt es zwar welche, aber vielleicht kann man’s besser machen, nicht wahr?«
»Sicherlich«, sagte Romain belustigt.
»Ja, und dann studiere ich Malerei und vielleicht Musik.«
Romain lächelte. Jungenprahlerei! »Und wann willst du anfangen zu arbeiten?«
Der Junge sah ihn betrübt an. »Viel wissen Sie noch nicht von uns, Genosse Romain«, stellte er fest. »Vier Stunden monatlich gesellschaftliche Arbeit – soll ich in der anderen Zeit nur Fußball spielen? Man muß doch etwas lernen, damit man auch in der übrigen Zeit etwas tun kann, was einem Freude bereitet.«
»Ja«, fiel ein kleines Mädchen begeistert ein, »Bananeneis machen!«
»Du bist ein Freßsack«, tadelte der Krauskopf. »Wenn du so weiterfutterst, wirst du sowieso krank.«
Vom Heim rief eine Frauenstimme. Romain unterdrückte die Bemerkung, daß ein Studium den ganzen Menschen erfordere und nicht nebenbei erledigt werden könne. Er hatte gut Ratschläge erteilen, kannte er doch nicht einmal den Alltag der Gegenwart.
Der Krauskopf gab ihm die Hand und stürmte davon. »Und wenn Sie bleiben«, rief er zurück, »dann besuchen Sie uns!«
Romain winkte ihm und wandte sich dann dem Hochhaus zu. Uguru, der Direktor des Kombinats, war ein Afrikaner in mittleren Jahren. Er hatte große, forschend blickende Augen, eine hohe Stirn und eine breite Nase. Seine Bewegungen waren gemessen. Die Herzlichkeit, mit der er Romain begrüßte, war ungekünstelt und machte auf Romain den Eindruck, als wäre er erwartet worden.
»Sie wollen gewiß unser Kombinat kennenlernen?« fragte der Direktor. »Für welches Gebiet interessieren Sie sich am meisten?«
Romain blickte sich um. An der Wand gegenüber dem Schreibtisch leuchtete eine Landkarte in verschiedenen Farben. Hin und wieder wechselte die Farbe eines Sektors.
Der Direktor war seinem Blick gefolgt. »Was Sie dort sehen, ist das Gebiet des Kombinats. Mehr als hunderttausend Quadratkilometer.«
Romain glaubte sich verhört zu haben. »Hunderttausend Quadratkilometer Dattelpalmenplantagen?«
»Hunderttausend Quadratkilometer Nutzfläche«, berichtigte der Direktor. »Dattelpalmen, Sojabohnen, Erdnüsse, Ölpflanzen, Zitrusfrüchte, Nußbäume – alles, was hier gedeiht.«
»Da müssen ja Millionen von Menschen beschäftigt sein«, sagte Romain erstaunt. »Aber
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