Heimkehr der Vorfahren
reifen Frau verführt worden war. Wie sie dasaß und ihn anblickte – selbstsicher, überlegen, in jeder Beziehung einen Kopf größer als er. Hatte er nicht geglaubt, das Erlebnis mit Jacquelaine hätte ihn von den Schlakken der Vergangenheit befreit, hatte er sich nicht heute morgen noch gefühlt wie ein Mensch, der Gegenwart? Narr, der er war. Eine Liebesnacht genügte, ihm zu zeigen, wie hoffnungslos der Versuch war, den Zeitgenossen gleichen zu wollen… In diesem Augenblick trat Mutter Suzanne auf die Terrasse.
»Nun habe ich endlich Zeit für meinen Gast«, sagte sie mit dröhnender Stimme und setzte sich zu ihnen. »In einer Stunde geht der Trubel weiter. Hat Jacquelaine Sie gut bereut, hat sie Ihnen die Plantage gezeigt? Ja, meine Kürbistomaten, meine Süßgurken, nicht wahr!« Sie verheimlichte ihren Stolz nicht.
»Wie haben Sie das nur geschafft?« fragte Romain, um ihr eine Freude zu machen. »Tomaten dieser Größe, dabei so zart?«
»Ein alter Freund von mir, er sitzt auf einer Oase in der Sahara, hat hier laboriert, fünfzig Jahr lang. Er entdeckte einen neuartigen Wachstumsbeschleuniger, daß heißt richtiger: einen Größenvermehrer. Aber das muß Ihnen Jacquelaine erklären. Im Theoretischen ist sie mir über.«
Jacquelaine nahm es als Aufforderung. »Mika Grabeu ist Experte auf diesem Gebiet. Aber er sitzt auf keiner Oase, wir sagen nur so. Früher, als die Sahara noch Wüste war, war Tuat eine Oasenreihe, heute ist es eine Stadt. Grabeu entwickelte ein Präparat, das den Baustoffwechsel anregt, so daß er den Betriebsstoffwechsel übersteigt und überdauert. Wir entwickeln dieses Präparat weiter und suchen neue Anwendungsgebiete.«
»Und warum sitzt Grabeu heute in Tuat?«
»Er half die letzten Wüstenflächen kultivieren. Schnelleres Wachstum war doch besonders dort sehr wichtig«, erwiderte sie. »Jetzt befaßt er sich mit Tieren.«
XIX
Romain reiste noch am gleichen Tage ab. Die Stunde der inneren Heimkehr ließ sich nicht wiederholen, dessen war er sich gewiß. Von Jacquelaine schied er mit einem Gefühl der Verehrung und der Erleichterung zugleich. Er fuhr wohl nach Paris, aber er hielt sich dort nicht auf. Hatte er sich anfänglich vorgenommen, sich vom Winde treiben zu lassen, so hatte er nach diesem Jubiläumsfest ein Ziel: Afrika. Genauer: Tuat. Noch genauer: Mika Grabeu! Jetzt befaßt er sich mit Tieren – das setzte sich fest in ihm.
Jacquelaine hätte ihm Auskunft geben können, ob man in seinem Alter noch wachsen konnte, aber sie hätte er zuletzt danach gefragt. Womöglich hätte sie ihm auf den Kopf zugesagt, daß er sich seiner Kleinheit wegen gehemmt fühlte, und hätte wieder so überlegen gelächelt. Nein, er mußte Mika Grabeu fragen, am besten unter vier Augen, ein Gespräch unter Männern. Immerhin war er ein alter Mann, der viel erlebt hatte und sich über die Eitelkeit anderer Leute nicht mehr wundern würde. Aber war es nur Eitelkeit, was ihn bedrückte? Das Gefühl der Unterlegenheit hatte ihm von Anfang an zu schaffen gemacht, schon bei Vena. Kam er denn gar nicht davon los?
Er stellte den Regler auf »Höchste Geschwindigkeit«. Die Schwebekabine schoß davon wie ein Pfeil.
Die Geschwindigkeit tat ihm wohl, er ließ den Wagen laufen wie ein ungezügeltes Pferd.
Am Nachmittag fuhr er in einem breiten Stollen durch die Pyrenäen, überquerte den Ebro, stieg ins Iberische Randgebirge hinauf, raste an Madrid vorbei, erreichte gegen Abend die Sierra Morena, stürzte die steil abfallende Straße nach Sevilla hinab und kam erst dort, an der vorgewählten Raststätte, zur Ruhe.
Romain stieg aus. Die Kabine parkte er am Straßenrand.
Der Rasthof umfaßte mehrere Gebäude. Jedem Stockwerk war eine Galerie vorgelagert. Der Leiter der Raststätte kam dem neuen Gast entgegen und begrüßte ihn respektvoll.
»Haben Sie noch ein Zimmer frei?« fragte Romain abgespannt.
»Wollen Sie denn bleiben, Genosse Heimkehrer?«
Romain sah ihn verwundert an. Deshalb fragte er doch.
»Oder weshalb haben Sie den Wagen noch stehenlassen?«
»Ich brauche ihn morgen früh«, sagte Romain.
»Wollen Sie zurück?«
»Nein, nach Afrika!«
Es schien ihm, als unterdrücke der Leiter ein Lächeln.
»Dann müssen Sie hier den Wagen wechseln. Für drüben hat er keine Zielwahleinrichtung. Seien sie unbesorgt, morgen steht für Sie ein Fahrzeug bereit. Sie gestatten, daß wir den Wagen in die Fahrbereitschaft bringen?«
»Ja, ja, natürlich«, sagte Romain verlegen.
Erst jetzt fiel ihm auf, daß der
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