Heimkehr der Vorfahren
Beziehungen von Institutionen ergeben.«
»Und wie bestraft… ich meine, wie erzieht man einen Pflichtverletzer?«
»Das ist nicht viel anders als früher«, fuhr Maro fort. »Verstößt jemand bewußt gegen die Interessen der Gemeinschaft, wird er erzogen. Nur die Methoden haben sich geändert, weil wir eine andere Auffassung und vor allem andere ökonomische Voraussetzungen haben.« Mit Nachdruck setzte er hinzu: »Heute sagt man dem Betroffenen allerdings offen, was man gegen ihn hat. Da wird nichts verheimlicht. Und der Betroffene kann Stellung nehmen!«
Nasarow sah ihn verständnislos an.
»Was haben Sie eigentlich gegen Vena Rendhoff?«
»Nichts!«
»Weshalb hat sich Romain von ihr entfernt, und warum wird Vena sein Aufenthaltsort verschwiegen?«
»Darauf wollen Sie hinaus?« sagte Nasarow gedehnt. »Das richtet sich nicht gegen Vena Rendhoff, obwohl sie der Anlaß ist. Romain verstieß gegen unsere Sitten, wenn auch nicht bewußt.«
»Wie kann man unbewußt gegen Sitten verstoßen?«
»Er wußte nicht, daß Vena Rendhoff bereits gebunden ist.«
»An was gebunden?« fragte Maro.
»Sie ist an Genossen Sajoi vergeben.« Das brachte Maro auf. Vergeben – war sie ein Gegenstand? »Erzählen Sie!« Romain hatte, seitdem er in Timbuktu lebte, so viel gesehen, daß es ihm schwerfiel, sich an alles zu erinnern. Da gab es Bergwerkssteuerzentralen, die gigantische Fördermaschinen überwachten und lenkten, die aus der Tiefe Gold und Diamanten heraufbrachten. Er war in Instituten gewesen, in denen man Organe wie Leber und Galle nachbildet und Arme und Beine nachwachsen ließ; er hatte Betriebe besichtigt, in denen Pflanzen mit vorbestimmten Eigenschaften gezüchtet, und Fabriken, in denen Automaten aus organischer Materie gebaut wurden.
Romain hatte ein Kombinat besucht, in dem mittels Fotosynthese aus dem Kohlendioxid der Luft Zucker, Stärke und Aminosäuren gewonnen wurden. Er hatte Bodenkultivatoren kennengelernt, die fahrbaren Fabriken glichen. Sie nahmen den Mutterboden in sich auf, sonderten in einem komplizierten Prozeß diejenigen Kleinstlebewesen aus, die die maximale Fruchtbarkeit hemmten, und förderten durch geeignete Düngemittel jene Arten, deren Lebensgemeinschaft die günstigsten Voraussetzungen für die vorgesehene Nutzpflanze boten.
Eines aber hatte er nicht gesehen: Mika Grabeu. Er wußte immer noch nicht, ob seine Generation den Menschen der Gegenwart angeglichen werden konnte. Mika Grabeu befand sich zur Zeit auf einer Reise durch Südamerika, und da sich Romain keinem anderen anvertrauen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als auf ihn zu warten.
Er füllte die Zeit aus, indem er studierte, aber es befriedigte ihn nicht, denn das Studium ließ ihn immer wieder auf Wissenslücken stoßen.
Seine Unsicherheit übertrug sich auch auf sein tägliches Leben, nie war er gewiß, ob er sich richtig verhielt oder unbewußt gegen eine der Normen des Zusammenlebens verstieß. Deshalb auch hielt er sich von den Studiengefährten zurück. Die Studenten waren nur wenige Stunden täglich beisammen und fühlten sich mit dem Kollektiv ihres Wohngebiets verbunden. Gewiß hätten sie sich um Romain gekümmert und ihm geholfen, aber er fürchtete, daß man ihn belächeln würde, und ging persönlichen Gesprächen aus dem Wege.
Im Gästehaus der Stadt, in dem er sein Quartier aufgeschlagen hatte, herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, das engere Bindungen von vornherein ausschloß. Zudem war er hier der Held des Kosmos, den man zuvorkommend grüßte – und ständig daran erinnerte, daß er auf den ersten Blick zu erkennen war, weil er sich schon äußerlich von den Zeitgenossen unterschied.
Daher lebte Romain zurückgezogen, bemüht, jede Stunde zu nutzen, Grundlagenkenntnisse zu erwerben. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, die Genossen in der Siedlung anzurufen. Die Vorstellung, ihnen einen Einblick in das Leben Timbuktus zu vermitteln, war verlockend. Mit Hilfe des Fernsehtelefons wäre das durchaus möglich gewesen. Aber dann hätte man ihm mit Sicherheit etwas von Vena berichtet, und das wäre über seine Kraft gegangen. Er hatte nur einen kurzen Gruß an Nasarow geschickt und ihm mitgeteilt, daß er sich vorläufig in Timbuktu aufhalte.
Vormittags ging er regelmäßig in die Hochschule. Dort versammelten sich die Studenten seines Semesters im Lehrkabinett.
Romain lächelte, sooft er an seinen ersten Studientag dachte. Mit zwiespältigen Gefühlen hatte er das weiträumige Gebäude betreten. Skepsis und
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