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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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Vollbäder zu gewöhnen.
    Jetzt wollte sie unbedingt Sharif davon erzählen – davon, wie unfassbar es für sie war, so unendlich viel Wasser zur Verfügung zu haben. Er hatte ihre Spur durch so viele Lager verfolgt. Er hatte das Elend gesehen. Er wusste Bescheid.
    Shakira schlüpfte aus dem Bett, das übrigens viel zu weich war – sie hatte stundenlang wach gelegen und mit offenen Augen gelauscht, während die Nachtvögel ihr Lied sangen, die Fontänen abgestellt wurden und der Mond aufging. Jetzt tappte sie barfuß auf den Balkon.
    Es war kein Laut zu hören. Der Mond spiegelte sich in der stillen Wasseroberfläche, wo vor kurzem noch die Fontäne geplätschert hatte. In den oberen Stockwerken waren noch ein paar Zimmer beleuchtet. Eines davon gehörte Sharif, er hatte es ihr vom Garten aus gezeigt. Shakiras Herz schlug schneller. Es tröstete sie zu wissen, dass auch er noch wach war, auch wenn sie jetzt nicht mit ihm reden konnte.
    Sie blickte hinauf zu der schmalen Sichel des Neumonds. War es wirklich möglich, dass das derselbe Mond war, den sie nachts vom Lager aus gesehen hatte? Oder hatte sich gleichzeitig mit ihrem Leben die ganze Welt geändert?
    Plötzlich war nichts mehr sicher. Im Lager hatte es viele Unabänderlichkeiten gegeben, grausam und hart. Es war unmöglich gewesen, auch nur eine Sekunde zu vergessen, wer sie war, wo sie war und dass sie am Leben war. Wenn man Hunger hatte, war das eine grausame, aber nichtsdestoweniger konkrete Tatsache. Hier jedoch schien nichts sicher zu sein. Sie wusste nicht, was Traum war und was Wirklichkeit.
    In Sharifs Zimmer bewegte sich ein Schatten an der Lampe vorbei. Plötzlich glaubte sie, es nicht mehr auszuhalten ohne ihn. Er würde ihr helfen. Er würde sie verstehen.
    Sehnsüchtig blickte sie zu dem Licht hinüber, wie ein Schiffbrüchiger auf stürmischer See zu einem Leuchtturm. So nah, und doch so unerreichbar. Sie hatte noch nicht genug vom Palast gesehen, um sich auszukennen. Bis jetzt hatte sie nur ein unübersichtliches Labyrinth von Treppen, Gängen und unzähligen Türen wahrgenommen. Hani hatte einen geheimen Weg aus dem Lager von Burry Hill gefunden, aber bei dem Gedanken, dieses Labyrinth zu durchstreifen, verließ Shakira der Mut.
    Niemals würde sie in diesem Gewirr von Treppen und Fluren sein Zimmer finden, und doch wusste sie genau, wo es war. Dieser Widerspruch beunruhigte sie sehr und gab ihr einmal mehr das Gefühl, sich in einer fremden Welt zu befinden. In einer Welt, in der all die Fähigkeiten, die sie sich ein Leben lang antrainiert hatte, sinnlos waren.
    Oder … vielleicht doch nicht? Das Licht in Sharifs Apartment schien ihr zuzuwinken. Shakira beugte sich über die Brüstung und blickte nach unten. Die kunstvoll geschnitzten Balkonverkleidungen boten einer behänden Fassadenkletterin wie ihr tausend Möglichkeiten …
    Sie schwang sich über die Brüstung. Ihr verbundener Knöchel behinderte sie dabei kaum. Was für ein gutes Gefühl zu spüren, dass sie doch nicht völlig verloren war in dieser merkwürdigen Umgebung. Ihre Überlebenstalente waren doch zu etwas nutze.
    Die Bodenfliesen des Innenhofs fühlten sich kühl und glatt unter ihren nackten Füßen an, als sie in der Dunkelheit zum gegenüberliegenden Palastflügel schritt.
    Kurz darauf befand sie sich auf dem Balkon zu Sharifs Zimmer.
    Seine Tür stand offen. Er saß über einen Stapel Papiere gebeugt an einem langen schwarzen Tisch. Einen Moment lang blieb Shakira lächelnd stehen und sah ihm zu. Er setzte seine Unterschrift unter eines der Papiere, schob es zur Seite und griff nach dem nächsten. Seine Brauen zogen sich zusammen, als er in einem anderen Stapel offenbar nach etwas suchte.
    Er wirkte so anders jetzt, so ernst und konzentriert. So fremd. Ängstlich trat Shakira von einem Fuß auf den anderen. Vielleicht kannte sie ihn ja doch nicht so gut. Vielleicht würde er sich gar nicht freuen, sie zu sehen.
    Jetzt legte er den Federhalter beiseite und griff nach dem goldenen Zigarrenetui. Kurz darauf hörte man es klicken. Er schob sich eine Zigarre zwischen die Lippen und zündete sie an.
    Plötzlich drehte er den Kopf in ihre Richtung. Er schien ihre Anwesenheit zu spüren. Einen Moment lang blickte er angestrengt in die Dunkelheit, aber dann entspannten sich seine Züge. Er legte die Zigarre ab und streckte auffordernd die Hand aus.
    "Komm rein", sagte er.
    Auf leisen Sohlen, wie ein Einbrecher, trat sie durch die Tür. Ihre Augen wirkten riesig in dem schmalen
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