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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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gewesen.
    Am vorletzten Tag des Jahres, das im Krieg begonnen hatte und trotzdem als ein Friedensjahr bezeichnet wurde, war die Familie Dietz so gut gestimmt, als hätte sie in der Lotterie des Lebens den Hauptgewinn gezogen. Hans hatte zwei Kilo Brot, ein Glas Erdnussbutter, zwei Dosen weiße Bohnen in Tomatensoße und einen Liter amerikanischen Whisky beschafft. Auf der Flasche stand sowohl der Hinweis »Bourbon« als auch »Property of the US Army«.
    »Was ist denn Bourbon?«
    »Keine Ahnung. Frag Mister Morgenthau. Der weiß alles. Sogar wie man aus Deutschland einen Agrarstaat macht, damit wir nie mehr behaupten, uns gehöre die Welt. Stell das Zeug bloß weg, Anna. Wenn einer die Flasche sieht, denkt er, ich hab unsere Befreier bestohlen.«
    »Das kann dir doch egal sein. Hauptsache, dein Gewissen belästigt dich nicht.«
    »Das hat es noch nie getan. Wer von unseren Landsleuten kann das von sich behaupten?«
    Anna gestattete Hans fünf Riechproben, dann sagte sie, sie wolle aus dem Bourbon eine Bowle machen. »Das ist eine Barbarei«, protestierte er, »so ein Whisky ist Medizin.«
    »Willst du ihn etwa allein saufen? Zu Silvester muss der Mensch teilen. Das war schon immer so. Sonst wird es ein schlechtes Jahr.«
    Anna streckte den Whisky mit reichlich Wasser und dem letzten Rest von ihrem selbst gebrauten Berberitzensaft, süßte die Mixtur mit Sacharin und fügte zur Geschmacksabrundung einen Eierbecher echten Bohnenkaffee hinzu sowie drei Tropfen von der kostbaren Backessenz mit Rumaroma, auf die es Sophie abgesehen hatte. Zur Silvesterfeier wurde die Meisterkreation in ein bauchiges grünes Kristallgefäß umgegossen, das Anna aus dem Sternberg’schen Haushalt hatte retten können.
    Betsy zwang sich, die Bowlenschale anzuschauen, ohne dass die Erinnerungen brannten. »Dingen, die man mit Geld kaufen kann, weint man nicht nach«, sagte sie zu ihrer Enkeltochter, und obgleich Fanny den Lebenslauf der Bowlenschüssel nicht kannte, wusste sie, dass ihre Großmutter nicht von Geschirr sprach. Sie schaute zu Boden und sagte: »Das finde ich auch.«
    Auf die jüngsten Festteilnehmer hatte der Silvestertrunk eine berauschende Wirkung. Sophie, die am Glas von Vater und Mutter hatte nippen dürfen, war so kinderfroh, dass sie sämtliche Lieder aus ihrem umfangreichen Repertoire vortrug, einschließlich Zarah Leanders »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen«, gefolgt von »Der Wind hat mir ein Lied erzählt« und dem brandneuen Erfolg der Gosse »Oder, Neiße, alles Scheiße«.
    »Lass das«, befahl ihr Vater, »und zwar sofort!«
    »Lass sie!«, widersprach Betsy, »Kinder haben keine bösen Lieder.«
    Erwin war nach dem ersten Schluck Bowle so friedfertig, dass er sich widerstandslos von seiner Schwester die Hälfte seines mit Erdnussbutter bestrichenen Brots abnehmen ließ. Fanny lachte ihren Hals heiser, als Anna erzählte, dass es in der Familie Sternberg früher Brauch gewesen war, zu Silvester einen Kreppel mit Senf statt mit Pflaumenmus zu füllen. »Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass es so viel zu essen gab, dass man Senf in Kreppel gestopft hat.«
    »Ich auch nicht«, sagte Anna. »Auch nicht, dass wir alle um Schlag zwölf an den Fenstern gehangen haben, um Feuerwerk zu gucken. Die arme kleine Alice ist auf den Balkon gerannt und hat festgestellt, dass dort der Himmel auch brannte. Sie hat herzerweichend geweint.«
    »Die arme kleine Alice hat immer herzerweichend geweint«, erinnerte sich ihre Mutter. »Hoffentlich hat sie sich das in Südafrika abgewöhnt.«
    »Wie sieht denn Feuerwerk aus?«, wollte Fanny wissen.
    »Genau wie das Zeug, das unsere Befreier uns auf den Kopf geschmissen haben«, sagte Hans. »Nur haben wir bei den Luftangriffen im Keller gehockt, nichts gesehen und fromm gebetet, die Bomben mögen aufs Nachbarhaus fallen. Erinnerst du dich nicht mehr, Fanny? Frau Schmand hat von der Wunderwaffe geschwärmt, und unsere Anna war eine richtige Spielverderberin. Sie hat nicht erlaubt, dass ich der Schmand den Hals umdrehe.«
    »Ich weiß noch alles. Ich hab mir immer ausgemalt, Frau Schmand trifft der Schlag, ich stehe ganz ruhig auf, packe ihre Grünen Bohnen in unsere Nottasche und futtere vor ihren starren Augen ihre Erdbeermarmelade.«
    »Braves Kind.«
    »Ich war nicht in keinem Keller«, wusste Sophie, »ich hab mit den Engeln gespielt.«
    »Du bist doch selbst ein Engel«, lächelte Betsy, »die wissen auch nicht, was eine doppelte Verneinung ist.«
    Sie war es,

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