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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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erwartet. Sie haben sich kein bisschen verändert. Kein bisschen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Am besten gar nichts, Theo. Sie haben genug gesagt, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    »Aber ich will doch wissen, wie es Ihnen ergangen ist in dieser furchtbaren Zeit. Ihrem Herrn Gatten vor allem. Er war immer korrekt. Ich hab ihn schon als Junge bewundert. Mein Gott, ich sehe ihn vor mir.«
    »Meinen Gatten haben sie im Konzentrationslager ermordet. Vermutlich in Auschwitz. Victoria und ihren kleinen Sohn auch.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Das haben Sie eben schon gesagt.«
    Er hieß Theodorich Rudolph Berghammer. Seit seinem sechsten Lebensjahr wohnte er in der Rothschildallee 9. Er war Ottos einziger Freund gewesen, hatte die siebzehnjährige Clara verführt und war der Vater von Claudette. Im Ersten Weltkrieg hatte Theo seinen Fuß, die Kraft seines rechten Arms und seinen Lebensmut verloren, bei den Nazis sein Gewissen und seinen Anstand. Dass er nach dem Krieg nicht nur gut für seine Familie sorgen konnte, sondern auch ein zufriedener, selbstsicherer Mann war, verdankte Theo seiner Frau Waltraud, die ihm vier Kinder geboren und ihn in den Wirren des Bombenkriegs gedrängt hatte, die Wohnung des ehemaligen Hausbesitzers zu okkupieren. 1945 hatte der Kriegsversehrte Theodorich Berghammer auf dem Wohnungsamt mithilfe von einem Kilo Speck und einem Kilo Schweineschmalz glaubhaft darlegen können, dass er Vater einer jüdischen Tochter wäre, die nach Palästina hatte auswandern müssen und die er »in naher Zukunft nach Hause zu holen« beabsichtige. Der Beamte hatte ein weiteres Kilo Speck verlangt und dann Theo die Wohnung seines einstigen Hauswirts »bis auf Weiteres zur Nutzung überlassen«.
    Er hoffe, sagte Theo zu Betsy, »Sie schon der früheren Zeiten wegen bald bei uns empfangen zu dürfen. Auch meine Frau wird sich sehr freuen. Ich habe ihr viel von der Familie Sternberg erzählt.« Beim Sprechen sah er Betsy an. Es hatte ihm nie an Schneid und Flexibilität gefehlt.
    »Wenn ich nur wüsste, an was ich mich zu erinnern habe, Theo!«, erwiderte Betsy. »Dass Sie der beste Freund meines Sohns gewesen sind oder dass Sie mir im Hausflur mein Einkaufsnetz aus der Hand gerissen und mich eine verfluchte Judenschlampe genannt haben.«

7
DER PAUKENSCHLAG
    Dezember 1945 bis März 1946
    »Der liebe Gott schmeißt Bomben auf unser Haus«, schrie Sophie, »wir müssen ganz schnell in den Keller.«
    »Nein«, beruhigte sie ihr Vater, »das sind nur die bösen Gewitterteufel. Die wollen uns Angst machen, aber wir fürchten uns nicht. Wir wissen, dass es nie wieder einen Krieg geben wird. Kein Kind muss sich mehr im Keller verstecken.«
    »Lena sagt, die Russen kommen. Sie jagen Frauen in den Wald und kochen Kinder in ganz großen Töpfen.«
    »Nicht im Frieden, Sophie. Sag das Lena.«
    In Frankfurt verabschiedete sich das Elendsjahr 1945 mit einem gewaltigen Sturm. In der verwundeten Stadt bebten die zerstörten Häuser, Ruinen fielen in sich zusammen, notdürftig reparierte Haustüren lagen auf der Straße, die wenigen Trambahnen, die wieder in Betrieb waren, standen still. Die ganze Nacht trieb der peitschende Wind riesige Stücke von Dachpappe, die wie monströse Drachen aussahen, durch die lichtlosen Straßen. Auf den Gehwegen stürzten Menschen über Steine und Äste. Einbrecher nutzten die Gunst des Unwetters, stiegen in fensterlose Keller ein und raubten den Hungernden die letzten Vorräte, stahlen Kartoffeln und Krückstöcke, rostige Fahrräder, Kinderwagen ohne Räder und den Schrott, den die Besitzer selbst gerade gestohlen hatten. »Ein ganz schlechtes Omen für 1946«, unkten die Abergläubischen. »Gottes Strafe«, wussten die Frommen.
    Das Unheil hatte sich lange vor Weihnachten angekündigt. Von Tag zu Tag war die Versorgungslage schlechter geworden, die Verzweiflung größer. Unermüdlich hatten Zeitungen, Rundfunk und öffentliche Verlautbarungen darauf hingewiesen, dass die täglichen 1500 Kalorien, die bis dahin jedem Erwachsenen zugestanden hatten, selbst in der amerikanischen Besatzungszone, die als besser versorgt galt als die drei übrigen, nicht mehr gehalten werden konnten. Metzger, Lebensmittelhändler und Bäckersfrauen standen hinter leeren Theken und bekamen Volkes Zorn zu spüren. Es hieß, die Milch für Säuglinge und Kleinkinder wäre gepanscht, das Mehl mit Insektenpulver versetzt, die Margarine mit Wasser verlängert und die

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