Heimkehr zu den Dakota
vierten Tage nahm Sitopanaki am Tanz der Jungfrauen teil. Dabei stellten sich die jungen Mädchen im Kreise auf. Eine nach der anderen sagte, wer sie sei. Die jungen Krieger konnten dann Gutes wie Schlechtes über jedes Mädchen vorbringen. Gegen Vorwürfe verteidigten sich die Mädchen, wenn sie gute Gründe hatten, und ein junger Krieger, der eine Unwahrheit über ein Mädchen gesagte hatte, mußte mit Schande abtreten. Sitopanaki hatte nicht zu befürchten, daß sich jemand über sie aufhalten würde.
Am Tage danach war das Spiel der wahren Begebenheiten angesetzt.
*
Als Stein mit Hörnern mit der Stammesgruppe der Siksikau zu den Festen ritt, hatte er nur an das Sonnenopfer gedacht. Aber jetzt verdrängten andere Vorstellungen in ihm den Gedanken daran.
Das Spiel der wahren Begebenheiten! Stein mit Hörnern sollte die Kampfszene mit Tashunka-witko spielen, und dieser hatte sich damit einverstanden erklärt. Die Gedanken des jungen Kriegers liefen zu den Jahren seines Kundschafterdienstes und zu dem letzten großen Kampf, in dem er sich Tashunka-witko ganz bewußt nicht gestellt hatte. Es mochte sein, daß der Dakotahäuptling ihm das als Feigheit ausgelegt und angerechnet hatte. Trotzdem war der Oberhäuptling bereit, im Spiel der wahren Begebenheiten Stein mit Hörnern zu begegnen.
Während der junge Krieger immer tiefer in die Nacht hinein draußen in der einsamen Prärie blieb, gab es auch in den Zelten bei dem Festplatz Menschen, die nicht schliefen. Zwar hatten sich die aufgeregten Knaben, die sich am nächsten Tage unter den Augen der Krieger und Häuptlinge im Wettspiel messen wollten, schon schlafen gelegt. Die Mädchen hatten sich müde geplaudert und waren bei Müttern und Großmüttern eingeschlummert. Die Häuptlinge und Ältesten hatten ihre Beratungen, die Geheimnismänner das Trommeln und ihre Gespräche mit den Geistern beendet. Jeder hatte sich auf sein Nachtlager begeben.
Die Wachen spähten in die Dunkelheit, in der sich nichts rührte. Es war Friede und Stille ringsum, ehe am nächsten Morgen der Lärm des Festes beginnen sollte.
Aber in einem Zelt waren zwei Augen offengeblieben.
Das Zelt stand in der Gruppe der Tipi, die die Dakota auf der Südseite des Festplatzes aufgeschlagen hatten. Es war ein stattliches, aber, verglichen mit den Zelten der Oberhäuptlinge, doch bescheidenes Zelt, mit bunten Wahrzeichen bemalt, unter anderem mit einer Flöte. Die Trophäenstange vor dem Eingang trug ansehnliche Beutestücke. Mit diesem Zelte war Tschotanka gekommen, ein älterer und angesehener Krieger der Bärenbande. Er hatte seine Frau mitgenommen, seinen Sohn, einen jungen Krieger mit Namen »Speerspitze«, und dessen Frau, sowie Uinonah, die Tochter Mattotaupas. Er hatte nicht aus eigenem Entschluß so gehandelt. Tatanka-yotanka hatte ihn wissen lassen, daß er zu dem Feste kommen und wen er mitnehmen sollte.
Uinonah lag schlaflos auf ihren Decken. Sie hatte sich den ganzen Tag über möglichst verborgen gehalten. Nur in den hinteren Reihen der Mädchen und Frauen stehend, hatte sie den Herold angehört, und zwischen Köpfen und Schultern hindurch hatte sie auf der anderen Seite des freien Platzes, in der ersten Reihe, plötzlich den Bruder erkannt. Sie hatte einen Moment die Augen geschlossen, oder vielleicht war ihr auch schwarz vor den Augen geworden, aber als sie wieder sehen wollte oder sehen konnte, war es nicht eine Erscheinung gewesen, die sie narrte. Es war die Wahrheit, daß dort unter den Männern der Siksikau ihr Bruder stand, Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter Bärenjäger, der Sohn Mattotaupas. Als sie ihn das letztemal gesehen hatte, war er zwölf Jahre und ein Knabe gewesen. Sie hatte damals mit ihrer Freundin Hyazinthe am Pferdebach gesessen, und der Bruder hatte sich im Auftrage des verbannten Vaters herangeschlichen, um die Mädchen und damit das ganze Dorf vor dem bevorstehenden Angriff der Pani zu warnen. Blitzschnell war er wieder verschwunden, nachdem er die Warnung ausgesprochen hatte. Damals hatte sie ihn das letztemal gesehen. Dann hatte sie noch die Schüsse gehört, mit denen er gleich dem Vater für die Bärenbande gegen die Pani kämpfte. Das war acht Sommer und Winter her. Die Ältesten hatten Mattotaupa trotz seines mutigen Kampfes gegen die Pani die Rückkehr nicht gestattet, und die Feindschaft war seitdem erbittert und tödlich geworden. Harka war in den letzten Jahren der Verbannung herangewachsen. Schlank, groß, stolz stand er unter den Kriegern. Er
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